ALTE MEISTER
: Okay, wir gehen rein!

Als Rembrandt 1632 seine „Anatomie des Dr. Tulp“ malte, war die Obduktion noch eine ziemlich frische Wunde im gesellschaftlichen Wissen darüber, was sich gehört und was nicht. Durfte man, was Gott geschaffen und versiegelt hatte, im Namen der Wissenschaft einfach so aufschnippeln? Man musste, wollte man gewisse Rätsel lösen, bestimmten Fragen auf den Grund gehen.

Bis heute hat sich an der Notwendigkeit und der Faszination der Obduktion kaum etwas geändert – man denke nur an Serien wie „CSI“ (CHECK!!), „Crossing Jordan“ oder die moderne Jahrmarktsattraktion „Körperwelten“ eines Gunther von Hagens. Die Obduktion ist immer auch eine Art letztes Verhör – eine stumme forensische Befragung, in der endlich der Körper selbst, unbestechlich wie er ist, die Karten auf den Tisch legt.

Im Blut von Elvis Presley wurden mehr als elf verschiedene Substanzen entdeckt, vom Aufputschmittel über den Appetitzügler bis hin zum Schlafmittel. Der Befund hat unser Bild vom aufgeschwemmten und seiner Zügellosigkeit erlegenen Elvis ebenso nachhaltig beeinflusst wie das Medikament Propofol unser Bild von Michael Jackson.

So kann man heute noch nicht über das Leben einer Marilyn Monroe sprechen, ohne es vom Ende her zu denken, dem Tod durch Barbiturate. Im Körper der Amy Winehouse sind nun keine „illegalen Substanzen“ entdeckt worden. „Legale“ Drogen freilich, namentlich Reste von Alkohol, hat der Körper kooperativ eingeräumt. Aber keine Schlaftabletten, auch kein Kokain, nichts Hartes eben. Und das ist, auf eine morbide Weise, ähnlich überraschend wie ein Foto von einer ungeschminkten Lady Gaga.

Der Befund nimmt dem Tod der Amy Winehouse nichts von seiner Tragik, aber er deckt ihre Biografie doch, gnädig wie eine Leichentuch, vor den Augen der Öffentlichkeit wieder zu – mit einem Rätsel. ARNO FRANK