Frau Trödel und die Detektive

Ein halbes Jahr linke Fraktion in Bremen zeigt, dass die angeblich so dogmatischen Westlinken genauso wenig auf Fundamentalopposition stehen wie die Ostgenossen

BREMEN taz ■ Partei und Fraktion, Partei oder Fraktion. Diese Trennung würden die Linken in Bremen gern ignorieren. „Seit dem 13. Mai 2007“ – dem Tag der Landtagswahl – „ist jedes Mitglied der Linken auch VerwalterIn öffentlicher Gelder und ArbeitgeberIn“ steht da auf der Homepage zu lesen.

Das klingt nach Transparenz, ist aber eigentlich falsch und widerspricht auch den gesetzlichen Vorschriften. Arbeitgeber der Fraktionsmitarbeiter ist natürlich auch bei den Linken die Fraktion. Aber schließlich geht es ja ums Geld, „um die dunkle Seite der Macht“, wie der Fraktionsgeschäftsführer der Linken, Christoph Spehr, das nennt. Da soll jeder an der Basis das Gefühl haben, er könne mitreden – und auch „mitentscheiden“.

Mit 8,4 Prozent der Stimmen zog die Linkspartei seinerzeit in die Bremische Bürgerschaft ein, genug für sieben Abgeordnete. „Die Wahl 2007 hat einen massiven Linksrutsch gebracht“, schreibt Spehr in einem internen Thesenpapier, und weiter: „Rot-Rot-Grün ist rechnerisch praktisch genauso stark wie eine große Koalition.“ Bei SPD und Grünen will man von solchen Rechenspielchen freilich nichts wissen, SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen hat Gespräche mit der Linkspartei schon „kategorisch“ ausgeschlossen, noch ehe sie jemand gefordert hat. Spehrs Strategiepapier attestiert Rot-Grün gleichwohl, „den forcierten Klassenkampf von oben“ beendet zu haben – etwas „vorauseilend“, wie die parteilose Fraktionschefin Monique Trödel sagt.

Und doch: Der rot-grüne Koalitionsvertrag habe „viele soziale und politische Forderungen“ der Linken aufgenommen, das sagt auch Trödel. Und sieht sich in der Rolle einer Detektivin. Als „aufdeckende Opposition“ dürfe die Linke „nicht müde werden, die vollmundigen Versprechungen von Rot-Grün beim Wort zu nehmen“.

Da fängt das Problem schon an: Mehr als 30 parlamentarische und nichtparlamentarische Ausschüsse und Deputationen sind zu besetzen, auch wenn die Bremische Bürgerschaft offiziell als Halbtagsparlament gilt. Außerdem sollen die linken Parlamentarier fünf Bürgerbüros in Bremen und Bremerhaven errichten, das hat sonst keine Fraktion.

Über praktische Parlamentserfahrung verfügt dabei keiner der sieben MandatsträgerInnen, wohl aber über langjährige Gremienerfahrung, vor allem in Gewerkschaften. Trödel selbst ist seit 1971 dort aktiv, bis hinauf zur Bundesebene. Mitfraktionschef Peter Erlanson, der von der WASG aufgestellte Spitzenkandidat bei der Wahl, ist im Nebenberuf Betriebsrat in einem städtischen Klinikum.

Für ihre Arbeit im Parlament bekommt die Linke gut 500.000 Euro pro Jahr. Und es kommen noch einmal gut 100.000 Euro für die beiden Fraktionsgeschäftsführer dazu, die sich die Stelle teilen. Sieben MitarbeiterInnen sollen die Detektivarbeit der Fraktion unterstützen. Manch einem an der Basis erscheint das schon verdächtig viel, vor allem denen, die eher auf „Fundamentalopposition“ setzen. Aber während anderswo Fraktionsfinanzen wie Staatsgeheimnisse gehütet werden, diskutiert die Linke mit ihrer Basis auf einem „Aktivenplenum“, wie viel Geld ein jeder Funktionsträger verdient. Und ob lieber eine Fachreferentin weniger eingestellt wird, damit mehr Geld für Fraktionsarbeitsgruppen bleibt.

„Das ist der neue politische Stil der Linken“, sagt Klaus-Rainer Rupp, der strategische Kopf der Fraktion. Er ist Unternehmer, war einst bei der SPD und später gleich dreimal erfolgloser PDS-Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Und dass die Linke über ihre Inhalte wirken müsse, die Mindestlohnkampagne etwa, die Forderung nach einem Sozialticket oder den Kampf gegen die Zwangsumzüge von Hartz-IV-EmpfängerInnen. Fundamentalopposition hört sich anders an. JAN ZIER