Die Dame mit dem Hermelin

RENAISSANCE Das Bode-Museum zeigt Meisterwerke der italienischen Porträtkunst von Raffael, Botticelli, Leonardo da Vinci und anderen

Die Befürchtung, es kämen zu wenige Besucher, um den teuren Blockbuster finanzieren zu können, ist nicht das Problem der Organisatoren der Ausstellung „Gesichter der Renaissance“ im Bode-Museum. Im Gegenteil. Damit die kostbaren, aus aller Welt herbeigeschafften Exponate keinen Schaden erleiden und die Menschen größtmögliches Vergnügen beim Betrachten der „Meisterwerke italienischer Porträtkunst“ empfinden, dürfen sich nur 300 Personen gleichzeitig in den elf Ausstellungsräumen aufhalten.

Bleibt nur eine Schwierigkeit: Das zentrale Meisterwerk der Ausstellung, Leonardo da Vincis „Dame mit dem Hermelin“ aus der Sammlung Czartoryski in Krakau, ist nur bis zum 31. Oktober zu sehen. Danach reist die Dame mit dem possierlichen Tier auf dem Schoß nach London, wo sie im nächsten Blockbuster, „Leonardo da Vinci – Painter at The Court of Milan“, in der National Gallery glänzen wird.

Der jetzige Besuch ist nicht der erste Aufenthalt der Dame in Berlin. Sie kennt das Museum schon, freilich aus einer Zeit, als es noch Kaiser-Friedrich-Museum hieß und Polen von den Deutschen überfallen und geplündert worden war. Hans Frank, Leiter des Generalgouvernements, hatte sie sich zusammen mit einem Jünglingsporträt von Raffael und einer Rembrandt-Landschaft unter den Nagel gerissen. Als die Amerikaner ihn im Mai 1945 am Schliersee fassten, hingen der da Vinci und der Rembrandt an der Wand seines „Haus Bergfrieden“. Beide Bilder kehrten nach Krakau zurück. Das Raffaelgemälde ist bis heute verschollen. „Die Dame mit dem Hermelin“ allerdings beschweigt diese, ihre turbulente Berliner Vergangenheit und blickt, fast möchte man sagen, neugierig nach vorn.

Sie will eben nur ein, wenn auch herausragendes Exponat sein, innerhalb der knapp 170 Porträts auf ganz unterschiedlichen Medien wie Malerei, Skulptur, Zeichnung und vor allem Münzen und Medaillen aus dem Italien der Renaissance. Leitend bei der Auswahl der Ausstellungsstücke war die Idee, die vorherrschenden Konventionen und entscheidenden Neuerungen in der Zeit zwischen 1420 und 1500 herauszustellen.

Ausgangspunkt bildet Florenz, wo das autonome Porträt erstmals breit in Erscheinung tritt. Weitere Zentren des Porträts sind die italienischen Höfe von Ferrara, Mantua, Bologna, Mailand, Urbino, Neapel und das vom Papst beherrschte Rom. In Venedig bildete sich erst spät im 15. Jahrhundert eine Porträttradition aus, vorrangig im Medium der Malerei. Antonella da Messina und Giovanni Bellini lösten sich dort von der in Italien stark verbreiteten Profildarstellung und drehten ihre Modelle in die Dreiviertelansicht. Das profane – gleichwohl nur wenigen vorbehaltene – Porträt kam im 15. Jahrhundert wieder in Blüte. Es wurde in Italien zunächst noch stark mit der Aura des religiösen Bildes unterlegt. Ähnlichkeit strebte das Porträt nicht so sehr mit dem Modell selbst an als vielmehr mit dem eingeübten Modell der Darstellung. Ikonisierung, nicht Psychologisierung ist das erwünschte Ziel.

Deutlich wird dies besonders bei der Darstellung weiblicher Schönheit, mithin Tugendhaftigkeit, die auf Formeln rekurriert, die sich von der Spätantike bis ins Mittelalter hinein als kanonisch herausbildeten. Die hohe Stirn, die lange Nackenlinie, die geschlossenen Lippen mit dem zaghaften Lächeln, die jugendlichen Züge, all das summiert sich zur einer standardisierten Lieblichkeit, die einem heute, etwa im Fall der Skulptur, die Rückseite der Dame, also ihre kunstvoll geschlungene Frisur, oft aufregender erscheinen lässt als ihr reizend konventionelles Gesichtchen.

Dass es Leonardo da Vinci gelingt, einem 17-jährigen Mädchen durch die Drehung seines Kopfes über die Schulter trotzdem einen ganz anderen, nämlich interessierten und damit selbstbestimmten Gesichtsausdruck zu geben, macht die „Dame mit dem Hermelin“ zu einer kleinen Sensation.BRIGITTE WERNEBURG

■ Bis 20. 11., Bode-Museum Berlin, Mo.–So. 10–18 Uhr, Do. 10–22 Uhr