„Damals war die Angst größer“

Ekkehard Lentz vom Friedensforum erklärt, warum es heute so schwer ist, gegen Atomwaffen zu mobilisieren – und was Jens Böhrnsens Grußwort für die Hiroshima-Mahnwache bedeutet hat

EKKEHARD LENTZ, 51, Mitbegründer des Bremer Friedensforums, ist seit 1972 politisch aktiv. Von Beruf ist er Erzieher.

Interview von BENNO SCHIRRMEISTER

taz: Herr Lentz, durch das Grußwort von Jens Böhrnsen hat das Friedensforum auch die Normal-BremerInnen erreicht…

Ekkehard Lentz: Ja, aber nicht nur. Das hat auch weit über die Stadt hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt, dass sich ein Ministerpräsident so deutlich positioniert: In Internet-Foren ist das ein Thema. Da hat man von Bremen aus mal gepunktet. Das tut uns gut. Aber auch dem Bürgermeister.

Warum war das wichtig?

Weil endlich wieder einmal ein Politiker aus der ersten Reihe das Friedensthema auf die Tagesordnung setzt. Man muss Böhrnsen wirklich hoch anrechnen, dass er die außerparlamentarischen Initiativen weiterhin ernst nimmt, dass er offensiv auf sie zugeht und echtes Interesse an deren Arbeit hat. Wir haben sein Schreiben auf unserer Veranstaltung auch entsprechend gewürdigt – ich habe es verlesen und es gab ja einigen Beifall.

Ein solches Grußwort hat es bisher nicht gegeben?

Nein, obwohl wir uns über Jahre hinweg immer darum bemüht haben. Und obwohl sowohl Henning Scherf als auch Klaus Wedemeyer ursprünglich in der Friedensbewegung aktiv waren. Allerdings hatte Hans Koschnick 1985 beim Bundeskongress der Deutschen Friedensunion, der in Bremen stattfand, auch ein Grußwort geschrieben. Das war das erste Mal, dass ein Landes-Chef diese Organisation mit einer offiziellen Adresse bedacht hat. Ich war damals hauptamtlich bei der DFU und Sprecher des Friedensforums.

Ähm – DFU, das war…?

… die Schaltstelle für das Friedensforum in den 1980er-Jahren, finanziell von der DKP unterstützt…

Also auch von der DDR finanziert und unterwandert?

Das wussten wir damals nicht, aber ja, das stimmt. Die Geldquelle ist aber mittlerweile versiegt. Was die personelle Unterwanderung angeht: Die Leute haben sich entweder verabschiedet, oder sich davon mittlerweile distanziert.

Und wie kam es zur Gründung des Friedensforums?

Das war am 1. September 1983 – wegen der drohenden Raketen-Stationierung: Gegründet worden ist das Friedensforum als Dachorganisation für gut 130 Gruppen – Stadtteil-Initiativen, kirchliche, gewerkschaftliche und auch Partei-Organisationen. Heute sind wir ein reines Personenbündnis.

Das etwas in die Jahre gekommen ist?

Natürlich. Es stimmt, dass auch bei der Mahnwache gestern viele ältere Menschen dabei waren. Ich finde das überhaupt nicht problematisch – sondern normal, dass bewährte Aktionsformen mit denen, die sie für sich entwickelt haben, älter werden. Wir kooperieren ja auch mit Protestbewegungen, die stärker die jüngeren Generationen ansprechen, wie zuletzt bei den Protesten gegen den G 8-Gipfel.

Aber ist das nicht auch symptomatisch? Die RednerInnen gestern haben betont, dass die Gefahr eines Atom-Kriegs viel größer ist, als vor 20 Jahren – weil er punktueller geführt werden könnte. Andererseits ist diese Gefahr in den Köpfen viel weniger präsent…?

Es war im Kalten Krieg einfacher, gegen Atomwaffen zu mobilisieren, das stimmt. Damals war die Angst vor dem atomaren Erstschlag viel größer, auch wegen der Diskussionen um die Stationierungen: Das war ein Thema in den Illustrierten, es gab den Stern-Titel „Atomrampe Deutschland“, und der Spruch „Wer als erster schießt, ist als zweiter tot“ war Allgemeingut. Heute ist der Krieg für viele sehr weit weg – irgendwo dahinten im Irak…

… weshalb man in Bremen sowohl für Frieden als auch für den Erhalt der Rüstungsindustrie bei EADS kämpfen kann?

Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der BremerInnen für die Rüstungsaufträge ist. Da steht dann die Sorge um die Arbeitsplätze im Vordergrund. Das verstehe ich auch. Allerdings war man in dieser Frage in Bremen früher weiter. Da gab es zum Beispiel das Konversionsprogramm…

durch das 6.000 Rüstungs-Jobs in zivile Arbeitsplätze umgewandelt wurden…

Das war ein hoffnungsvoller Ansatz. Nur ist das leider 2001 ausgelaufen.