Kein NPD-Zentrum in Wittmund

Das Bahnhofshotel in Wittmund wird nicht an die rechte Szene verkauft. Anderswo aber sucht die NPD weiter nach Immobilien, während SPD und Grüne erneut ein NPD-Verbot fordern

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass in Delmenhorst vor den Toren Bremens das ehemalige „Hotel am Stadtpark“ zum Verkauf stand. Interessent war damals eine Briefkasten-Stiftung, in deren Namen der rechtsextreme Hamburger Anwalt Jürgen Rieger agierte. Nach monatelangem Tauziehen, lang anhaltenden Protesten aus der Bevölkerung sowie einer Spende derselben von fast einer Million Euro kaufte die Stadt am Ende die Immobilie für gut drei Millionen Euro. Noch immer ist indes unklar, was aus dem Haus in bester Innenstadtlage werden soll. Ein Bieterverfahren wird demnächst eröffnet, die Entscheidung soll bis Jahresende fallen – nicht ohne die Beteiligung der BürgerInnen.  taz

von Jan Zier

Der Vergleich mit Delmenhorst drängte sich förmlich auf, jedenfalls für die Medien. Auch dort ging es seinerzeit um ein sanierungsbedürftiges ehemaliges Hotel, auch dort erklärte sich der Besitzer bereit, seine Immobilie „an jeden“ zu verkaufen, auch dort war der bundesweit bekannte und wegen Volksverhetzung verurteilte Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger (NPD) als Käufer im Gespräch. All das war jetzt auch in Wittmund der Fall, einer 22.000 EinwohnerInnen zählenden Stadt in Ostfriesland. Doch Wittmund ist nicht Delmenhorst: Das dortige „Bahnhofshotel“ werde nicht an Rieger verkauft, so Besitzer Ommo Becker gestern in einer offiziell vom Landkreis Wittmund verbreiteten Erklärung.

Am vergangenen Montag noch hatte Becker gegenüber der taz erklärt, ihm sei „egal“, wer das Haus kaufe. „Aus Wut und Verärgerung“ habe er das gesagt, fügte er gestern an – und dass er „eindeutig nicht“ an die rechte Szene verkaufen werde. Becker sei „überrascht“ von der öffentlichen Resonanz gewesen, sagte Matthias Köring (parteilos), erster Kreisrat des Landkreises, der mit ihm im Kontakt steht. Ommo Becker sei „ein alteingesessener Wittmunder“, der keinesfalls in die rechte Ecke gedrängt werden dürfe.

Ohnehin ist unklar, ob die Immobilie überhaupt für rechte Zwecke nutzbar gewesen wäre. Hat doch der Landkreis jüngst angedroht, deren komplette Nutzung zu Wohnzwecken zu untersagen. Derzeit läuft ein Anhörungsverfahren, zu dem sich Becker bis heute äußern muss. Und das ihn wütend macht, schließlich droht im der Verlust seiner Mieteinnahmen.

Das Haus weise jedoch „erhebliche Brandschutzmängel“ auf, sagt Köring. Ohne eine Sanierung sei es „nicht zu verantworten“, dass dort weiterhin Menschen wohnten. Derzeit wird die Immobilie nicht als Hotel genutzt: Der ehemalige Schankraum ist einem Kiosk gewichen und die ehemaligen Fremdenzimmer beherbergen mittlerweile Hartz IV-EmpfängerInnen. Im Juni wurde dort ein Mieter tot aufgefunden – vermutlich nach einem Herzinfarkt. Der Landkreis hat daraufhin eine Begehung angeordnet, so kam der Fall ins Rollen. Jedoch bestehe „kein Zusammenhang“ zwischen dem Todesfall und dem baulichen Zustand des ehemaligen Hotels, betont Köring.

Während Jürgen Rieger in Wittmund also aus dem Spiel ist, sucht sein Parteigenosse, der niedersächsische NPD-Politiker Andreas Molau, weiterhin in seinem Bundesland nach einer geeigneten Immobilie, in der sich ein rechtes Schulungszentrum aufbauen lässt. Das bestätigte Molau am Dienstag gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Der 39-jährige Molau, der auch zum Bundesvorstand seiner Partei gehört, will nach eigenen Aussagen einen ehemaligen Bauernhof in Südniedersachsen in Augenschein nehmen. Zuvor hatte er bereits ein Gebäude im brandenburgischen Rauen erworben, um dort ein Schulungszentrum „im Stile einer Waldorfschule“ zu gründen. Molau war von 1996 bis 2004 als Lehrer an einer Waldorfschule in Braunschweig tätig, bis ihm wegen rechtsextremistischer Umtriebe gekündigt wurde. Geldgeber Molaus sollen Finanziers vor allem aus Kreisen älterer NPD-Mitglieder sein. Laut Verfassungsschutz gibt sich der redegewandte Pädagoge aus Wolfenbüttel „raffiniert“ – aggressive Hetzparolen seien von ihm kaum zu hören.

Unterdessen fordern Grüne und SPD in Niedersachsen nun einen erneuten Anlauf für ein NPD-Verbot. Die Innenminister der Länder sind dagegen uneins. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sieht kaum Erfolgschancen für ein neues Verbotsverfahren. Der Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, Heiner Bartling, will hingegen „alle Möglichkeiten nutzen, um die Immobiliengeschäfte zu verhindern“. In Niedersachsen hat die NPD laut Verfassungsschutz rund 630 Mitglieder.