Linke nur bei Sit-ins und Demos?

betr.: „Großes Rindvieh an Mammut“, taz vom 31. 7. 07

Es gibt in der intellektuellen Landschaft seit längerem die Absicht, die Kritische Theorie als überholt darzustellen und ihre Protagonisten als Sektierer mit persönlichen Defiziten in die Bedeutungslosigkeit zu schreiben. Ärgerlich, dass nun auch die taz einem solchen Versuch fast eine ganze Seite frei räumt.

Alexander Cammann unterstellt Adorno „denunziatorische Fähigkeiten“, ihm seien „gewisse Brutalitäten nicht fremd“ gewesen. „Belegt“ wird das mit dem Zitat aus einem Brief an Horkheimer, in dem er schreibt, Carl Mannheim „ist einfach dumm“. Was ist daran denunziatorisch, wenn ich in einem privaten Brief (der nicht zur Veröffentlichung bestimmt ist) an einen Freund jemanden als dumm bezeichne? Was käme wohl dabei heraus, wenn man sämtliche privaten Briefe und Mails von Cammann veröffentlichen würde?

Geradezu absurd ist Cammanns Vermutung, die politische Heimat Adornos sei in den 60er Jahren nicht mehr „die Linke“ gewesen, weil er die Praktiken der Studentenbewegung kritisierte. Gab es die Linke nur bei Sit-ins und Demos? Wie kann man allen Ernstes behaupten, der Verfasser der „Dialektik der Aufklärung“ sei „politisch heimatlos“ geworden? Wohl nur, wenn man einen extrem verengten, parteilich geprägten Politikbegriff hat. Die Denunziation, die Cammann Adorno vorwirft, fällt also auf ihn selbst zurück und erscheint als der Versuch, von der intellektuellen Trivialität der Generation Golf abzulenken, der man den Rezensenten zurechnen darf.

THORSTEN SAUTER, Düsseldorf