Neonazis machen auf Naturschutz

In einer Wahlkampfbroschüre ruft die niedersächsische NPD dazu auf, den NABU im Kampf um den Vogelschutz „nachhaltig zu unterstützen“. Die Umweltschützer haben sich von dem Aufruf distanziert. Viel dagegen ausrichten können sie nicht

Ökologie und Rechtsextremismus: Mit Blick auf die Grünen irritiert dieser Zusammenhang. Doch bereits bei der Entstehung der Umweltpartei mussten rechtsextremistisch-ökologisch Bewegte, wie Herbert Gruhl, ausgegrenzt werden. 1982 entstand deshalb die Ökologisch Demokratische Partei. Im „Collegium Humanum“ debattieren indes seit Jahren Rechte wie Ursula Haverbeck über „echte Öko-Konzepte“ und die „wahre Dimension des Holocaust“. Seit den 1980er Jahren versteht sich die NPD als eine „durch und durch ökologische Partei“. Im Programm zur niedersächsischen Wahl 2008 legte sie dar: Naturschutz sei Heimatschutz und Schutz gegen das „vagabundierende internationale Geldkapital“, das der Umwelt schade. Diese Chiffre deutet die Tradition an. Schon die völkische Bewegung klagte seit 1871 über „die Juden“, die mit der Moderne die Entfremdung von Volk und Natur gezielt vorantreiben würden.  AS

VON DANIEL WIESE

Der Turmfalke ist ein politisch unverdächtiger Vogel. Er sei einer der wenigen „Gewinner der Urbanisierung“, berichtet der NABU (Naturschutzbund Deutschland), denn der Turmfalke könne auch auf Türmen und Hochhäusern leben.

Trotzdem ist der Vogel, den die Naturschützer vom NABU zum „Vogel des Jahres 2007“ ausgerufen haben, jetzt in einen kleinen politischen Skandal verwickelt. Sein Bild prangt auf der letzten Seite einer vierseitigen Wahlkampfbroschüre der niedersächsischen NPD, „Vogel des Jahres 2007: Der Turmfalke“, steht fett daneben.

In dem dazugehörigen Text wird behauptet, der Turmfalke verliere „Tag für Tag ein Stück mehr seines ohnehin schon knappen Lebensraumes“, besonders das „Fehlen von Hecken“ sei für das Tier ein Problem. „Die NPD Niedersachsen ruft deshalb dazu auf, die Bemühungen des NABU auf Landesebene nachhaltig zu unterstützen.“

Vergangene Woche sei er auf die Wahlkampfbroschüre aufmerksam gemacht worden, sagt Uli Thüre, der Pressesprecher des NABU Niedersachsen. „Wir distanzieren uns davon. Aber seine Unterstützer kann man sich ja leider nicht aussuchen“, Thüre lacht hilflos.

Der Aufruf in der Wahlkampfbroschüre sei „Teil der Wertergreifungsstrategie“ der NPD, meint der NABU-Sprecher. Die Partei versuche, mit ihren Themen „in die Mitte der Gesellschaft“ zu kommen. Warum es ausgerechnet den NABU trifft, er weiß es nicht. Er vermutet aber, dass die Bekanntheit der Marke „Vogel des Jahres“ damit zu tun hat. „Wir machen das seit 1971, und alle haben es nachgemacht“: Loki Schmidt mit der „Blume des Jahres“, die Naturfreunde mit „Landschaft des Jahres“ und so weiter. Jetzt komme eben auch die NPD dazu.

Schon länger versucht die rechte Partei, an bürgerliche Protestbewegungen anzudocken. Im mecklenburgischen Lübhteen engagieren sich NPD-Mitglieder in der Bürgerinitiative „Braunkohle – Nein!“. Auch Globalisierungskritiker von Attac bekamen beim G 8-Gipfel ungewollte Unterstützung von Rechts. Eine Demonstration in Schwerin war zwar verboten worden, dafür marschierte die Szene dann aber in mehreren Städten des Nordens auf, zum Beispiel in Lüneburg. Genau dort hat auch der NPD-Landesverband Niedersachsen seine Postadresse, der für die Wahlkampfbroschüre verantwortlich zeichnet.

Um den Turmfalken politisch nutzen zu können, verbindet die NPD die Zerstörung seines Lebensraums mit einer Kritik an der „Landschaftszerstörung“. Gegeißelt werden die „Flurbereinigungsorgien der 60er und 70er Jahre“, verbunden mit der Ankündigung, die Partei wolle, erst einmal in den Landtag eingezogen, alle Abgeordneten dazu aufrufen, in ihren Wahlkreisen Hecken zu pflanzen – die angeblichen Wohnorte der Vögel. „Auch unsere Kinder sollen noch den Turmfalken über niedersächsische Felder kreisen sehen“, so der hoffnungsvolle Ausblick.

Bei der Sache mit den Hecken bessert sich die Laune von NABU-Sprecher Thüre schlagartig. „Ich habe noch nie einen Turmfalken in Hecken nisten sehen“, sagt er. Die NPD kenne sich mit den Vögeln wohl doch nicht so richtig aus.

Was der NABU freilich gegen die Vereinnahmung durch die NPD unternehmen kann, ist nicht ganz klar. Man überlegt eine Klage auf Unterlassung, „aber mit den juristischen Sachen bin ich mir nicht so sicher“, sagt Thüre.

Möglich, dass sich der NABU noch ein Strategie überlegen muss. In Sachsen, wo sie wie in Mecklenburg-Vorpommern auch in den Landtag eingezogen ist, versuche die NPD gerade, sich an die NABU-Aktion mit den Wolfspatenschaften dranzuhängen, berichtet Thüre.

Vielleicht, denkt er, sei es gar nicht gut, viel darüber zu reden: „Man könnte ja sagen: Je mehr wir machen, desto mehr schaffen wir denen eine Plattform.“