Ein gottverlassener Ort

Regisseur John Hillcoat und Autor Nick Cave haben eine blutige Todesballade über die Kolonisation Australiens geschaffen. „The Proposition“ zeigt sie als sinnlosen Akt der Gewalt

Wie ein Sturm bricht die Gewalt herein, kaum dass der Vorspann vorbei ist. Inmitten eines Kugelhagels beginnt John Hillcoats „The Proposition“ – ein harter, abrupter Einstieg, doch fulminanter hätten Hillcoat und sein Autor Nick Cave die zerstörerische Kraft der Zeit und des Ortes, an dem ihr Film spielt, kaum heraufbeschwören können. Ende des 19. Jahrhunderts ist Australien nichts als eine unwirtliche Strafkolonie, ein Auffangbecken für politische Gegner der britischen Krone und den Abschaum des Empires. „Ich kam in dieses erbarmenswürdige Land“, sagt eine der heruntergekommenen Gestalten einmal, „und der Gott in mir evaporisierte.“ Vom optimistischen Pioniergeist des amerikanischen Westerns ist in „The Proposition“ nichts zu spüren. Der Sinn der Kolonialisierung bleibt denen, die es hierher verschlagen hat, im Dunkeln. Sie erinnert der australische Kontinent eher an den Vorhof zur Hölle, besonders nachts, wenn sich der Himmel glutrot über das Land legt.

„The Proposition“ ist Hillcoats und Caves zweite Zusammenarbeit nach dem Gefängnisdrama „Ghost of the Civil Dead“ (1988), und erneut begeben sie sich an die Ränder der Zivilisation. Niemand hat sich hier aus freien Stücken niedergelassen, weder Captain Stanley (Ray Winstone) und seine Frau Martha (Emily Watson), deren marmorne Zerbrechlichkeit wie ein Affront gegenüber der harten Landschaft wirkt, noch der Grundbesitzer Evan Fletcher (David Wenham), dem jedes Mittel recht ist, Law and Order einzuführen, und wenn er zu diesem Zweck Aborigines zu Dutzenden abschlachten lassen muss.

Das Land wird terrorisiert vom irischen Outlaw Arthur Burns (Danny Huston), den selbst die Eingeborenen wie eine mythische Figur fürchten. Tief in die „Open Range“ hat er sich mit seiner Bande zurückgezogen, und nur neun Tage bleiben Charlie Burns (Guy Pearce), seinen älteren Bruder Arthur zu finden und zu töten. Andernfalls wird Captain Stanley ihren jüngsten Bruder Mike hinrichten.

Mit seiner hageren Gestalt hat Guy Pearce die richtige Leidensphysis für solch einen beschwerlichen Ritt, aber auch der von ihm gespielte Charlie wird schließlich an seine Grenzen stoßen. Der klassische amerikanische Western hat stets vom Gegensatz der (männlichen) Körper und der Landschaft gelebt, und auch „The Proposition“ zieht seine Spannung aus dieser Konstellation, in der Art, wie Hillcoat seine Figuren immer wieder als Schemen vor dem Horizont platziert. Doch „The Proposition“ hat mit der romantischen Vorstellung, dass neue Gebiete nur darauf warten, erschlossen zu werden, längst gebrochen. Die Besiedlung des australischen Kontinents bleibt bei Hillcoat, was es war: ein Akt sinnloser Gewalt, moralische Schuld, auf der eine ganze Nation errichtet wurde.

Diese Ursünde tragen auch Caves Figuren in sich; wie ein Stigma scheint sie ihnen anzuhaften. Der Dreck sitzt wie imprägniert in ihrer Kleidung und auf ihren Gesichtern, und Fliegenschwärme umgeben sie. „The Proposition“ ist eine blutige Todesballade: dräuend, elegisch, voll biblischer Symbole. „Charlie, du hast mich erwischt. Und was hast du jetzt vor?“, fragt Arthur am Ende, sterbend, mit Blick zum Horizont. Als fände sich irgendwo da hinten eine Antwort.

ANDREAS BUSCHE

Kino Central, Hackescher Markt, 9.-–22. August