OFF-KINO
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Ohne einen kleinen Rückblick auf das Werk von Michelangelo Antonioni und Ingmar Bergman, der unlängst verstorbenen Größen des europäischen Autorenkinos, kann auch dieser Kolumnentext nicht auskommen.

Antonioni war der Regisseur der Sinnkrise der modernen Gesellschaft und ihrer Intellektuellen im Besonderen: Stets mühen sich seine Protagonisten mit der Gehaltlosigkeit ihrer Beziehungen und der Veränderung in ihrer Umwelt ab, der sie letztlich hilflos, unsicher und neurotisch gegenüberstehen. Immer wieder suchen sie nach Sinn jenseits der gelackten Oberflächen einer schönen neuen Welt – doch sie finden überall nur Leere. So geht es letztlich auch dem hippen Londoner Modefotografen (David Hemmings) in „Blow Up“ (1966): Seine Beziehungen sind so schnelllebig wie sein Beruf. Der Versuch, einer extrem grobkörnigen Vergrößerung eines Fotos, auf der er einen Mord zu sehen glaubt, ihr Geheimnis und ihren Sinn zu entlocken, verläuft im Nichts. Antonioni beschreibt eine Gesellschaft, die sich komplett in Oberflächlichkeiten ergeht, filmt diese jedoch derart verführerisch, dass der Film heute wie ein fast authentisches Dokument aus der Zeit zwischen „Swinging Sixties“ und psychedelischer Ära daherkommt.

Mehr noch als Antonioni versuchte Ingmar Bergman mit seinen Filmen vor allem seine eigenen Dämonen auszutreiben. Auch bei ihm geht es um Beziehungen in verschiedenen Krisensituationen (intensiv und quälend etwa in „Szenen einer Ehe“, elegant und voller Esprit hingegen in seinem an der französischen Komödie des 17. Jahrhunderts orientierten Erfolg „Das Lächeln einer Sommernacht“) und um die Suche nach dem Sinn des Lebens, die bei dem schwedischen Regisseur immer zugleich eine Suche nach Gott ist. Einer der typischsten Sucher Bergmans ist der Ritter Antonius Block in „Das siebente Siegel“: In einer Zeit von Krieg, verheerenden Seuchen und Hexenverbrennungen begegnet der Ritter dem Tod, kann jedoch um die Dauer einer Schachpartie einen Aufschub erwirken, währenddessen er nach Gewissheit für die Existenz Gottes sucht. Denn sonst wäre, wie er findet, „unser Streben auf dieser Welt sinnlos und grausam“. Doch Antonius wird stets aufs Neue enttäuscht: Am Ende gesteht auch der Tod selbst ein, dass er über die Existenz Gottes nichts weiß. Sicher ist im Leben eben nur der Tod, der alle gleichermaßen ereilt: den suchenden Ritter ebenso wie den atheistischen Knappen, den Asketen wie den Lebenslustigen.

Um eine einsame Suche geht es auch in Mamoru Oshiis Anime „Ghost in the Shell 2: Innocence“: Der Cyborg Batou und sein menschlicher Partner Togusa ermitteln in einer Reihe von Morden, bei denen weibliche Roboter ihre Besitzer umbrachten und anschließend Selbstmord begingen, und stoßen auf einen Fall von Seelenübertragung. Angesiedelt in einem Dekors mit gotischen High-Tech-Kathedralen und verschiedenen Ebenen von Cyber-Realitäten rührt das Drama an nicht weniger als den philosophischen Grundfragen der menschlichen Existenz.

LARS PENNING

„Blow Up“ (OmU) 9. 8.–15. 8. im Central; 14.8., Freiluftkino Schwarzenberg „Szenen einer Ehe“ 11. 8., „Das siebente Siegel“ 14. 8., Babylon Mitte; „Das Lächeln einer Sommernacht“ (OmU) 15. 8., Arsenal 2 „Ghost in the Shell 2: Innocence“ (OmU) 13. 8., Central 2