Marko Arnautovic, Werder
: Endlich resozialisiert

■ 22, ist seit Juni 2010 bei Werder unter Vertrag und hat sich von Schaaf erziehen lassen. Foto: dpa

Man kennt das aus seiner Kinderzeit. So lange die bösen Buben in der Nähe sind, wagt man nicht das kleinste Widerwort. Sind sie aber weit genug weg und die eigene Haustür schon in Sicht, werden wüste Beleidigungen in ihre Richtung geschleudert, um sich für erlittene Demütigungen zu rächen.

So muss es dem österreichische Verteidiger Paul Scharner gegangen sein, als sein Nationaltrainer Dietmar Constantini im vergangenen Jahr Marko Arnautovic aus der Nationalmannschaft warf. Sicher, dem rüpelhaften Stürmer vorerst nicht mehr zu begegnen, sagte er: „Ja, was soll ich über Marko sagen? Der hat ja nur Stroh im Kopf.“ Das hat er nun davon! Am Samstagabend nominierte Constantini Arnautovic auf den letzten Drücker für die beiden Länderspiele gegen Deutschland und die Türkei und man möchte nicht in Scharners Haut stecken.

Aber vielleicht verfügt Constantini ja über ein ähnlich gutes Händchen im Umgang mit brenzligen zwischenmenschlichen Situationen, wie es Thomas Schaaf auch im Fall von Arnautovic wieder zu beweisen scheint. Dessen Verpflichtung vor gut einem Jahr galt in Bremen als Experiment. Bei Inter Mailand war er auf ganze 70 Spielminuten gekommen. Hatte aber die Sportseiten gefüllt, die genüsslich darüber berichteten, dass er im Training Lucio lächerlich machte, sich den Bentley von Eto‘o klauen ließ und Interviews nur noch gegen Bezahlung gab.

Die Hoffnung, dass der „Kindskopf“ (José Mourinho) endlich erwachsen würde, ruhte ganz auf dem Schaaf’schen Resozialisierungserfolg. Beim lebenslustigen Ailton hatte Werders Trainer mit langer Leine Erfolg, beim exzentrischen Individualisten „Le Chef“, Johan Micoud mit Respekt und Ehrbezeugung. Beide spielten niemals vorher oder nachher so stark wie unter Schaafs Fittichen.

Bei Arnautovic versuchte Schaaf es zunächst mit Autorität. Als der im Training den Ball wütend wegschlug, ließ er ihn erst Liegestütze machen und schickte ihn dann noch auf ein paar Strafrunden und war sich sicher: „Wir werden das schon hinbekommen, dass ihn alle lieb haben.“ Zunächst musste sich der Verein aber noch als „Saftladen“ und sein Chef Klaus Allofs als „picku materinu“ beschimpfen lassen. So konnte sich „Arnie“ in der letzten Rückrunde hauptsächlich beim Warmlaufen an der Seitenlinie präsentieren – mit einer Körpersprache, für die die Fans schnell einen Superlativ fanden: „Schlimmer als Hunt“.

Seit Beginn der Saison lässt Arnautovic erahnen, warum er schon mit Zlatan Ibrahimovic verglichen wurde. Gegen Freiburg und Hoffenheim gehört er zu den Besten und schoss zwei wichtige Tore. Seinen Platz in der Startelf am Samstag empfand er als „Belohnung“. Für was, ließ er offen: für gute Trainingsleistungen oder für einen Sommer ohne Skandale. RALF LORENZEN