Polizei zu Besuch: Bittere Unschuld
„Das erste Mal im Polizeitransporter“, stöhne ich vor mich hin. Mein Bewacher grinst: „Besser als auf der Gefangenensammelstelle, oder?“ Er beugt sich nach vorn. Die gelbe Neoprenweste spannt über seine Uniform, ich zähle seine raspelkurzen Haare. Er fragt: „Was hat Sie geritten, vor einer Polizeikontrolle zu wenden?“
Tja, dieser waghalsige U-Turn. Sonntagmittag an der Unterführung des Ostbahnhofs. Mein späterer Bewacher hatte mich vorher bereits mit den Augen fixiert. Er lief rückwärts über die Straße, als freue er sich auf mich. Eine Sekundensache wie im Western, ein Kurzschluss: Ich riss das Lenkrad herum und fuhr zurück. Plötzlich brüllte Mr. Neoprenweste seine Kameraden zusammen, im Rückspiegel rannten fünf kleine Polizisten, ein Polizeitransporter drängte mich von der Kreuzung, dann standen sie keuchend um mein Auto, die Hände am Pistolenholster.
„Ich bin doch ehrlich. Wollte nur zu Hause den Führerschein und den Ausweis holen“, beteuere ich. Den holen wir jetzt im Transporter. „Seh ich so kriminell aus?“ Nein, sagt mein Bewacher, jetzt hätte ich ihn falsch verstanden, und erzählt, dass sie heute schon dealende Doktoren verhaftet haben, die aus dem Berghain kamen. Ich streiche mir durch den Dreitagebart: „Sehe ich aus wie ein dealender Doktor?“ Mein Bewacher grinst weiter: „Das sieht man niemandem an.“ Der Ausweis werde meine Identität ja klären. Ich könnte ja doch ein gesuchter Dealer sein.
Endlich in der Wohnung angekommen, überfliegen die Polizisten den Ausweis nur. Mein Bewacher steht auf der Türschwelle, zeigt nach oben links und fängt laut zu lachen an. „Der da hat ja wohl nix genutzt, wa?“ Ich höre sie noch kichern, als sie wieder das Treppenhaus hinuntersteigen und sehe über dem Türrahmen einen Aufkleber. Darauf zwei traurig blickende Polizisten und ein Satz: „Wir müssen leider draußen bleiben.“ MARKUS MÄHLER
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