kurzkritik: william kentridge in der kunsthalle
: Spiegel der Erinnerung

Man könnte es einfach als liebenswerte technische Spielerei abtun. Das ist es natürlich – auch! Geht es doch bei William Kentridge auf der ersten Blick um Bilder, die so richtig erst entstehen, wenn man sie durch spinnenförmige Sehapparate, in begehbaren Spiegelstereoskopen oder kreisrunden Zerrspiegeln betrachtet. Aber der im Südafrika der Apartheid groß gewordene Kentridge, ein „Weltstar“, wie Kunsthallen-Direktor Wulf Herzogenrath nicht müde wird zu betonen, ist eben nicht nur Zeichner – sondern auch Filmemacher und Theaterregisseur. Und das sieht man.

Hauptwerk der ab Sonntag in der Kunsthalle zu sehenden Ausstellung „What will come (has already come)“ ist ein anamorphotischer Film, zuvor noch nirgendwo anders öffentlich präsentiert. Inhaltlich geht es darin um den Abbessinienkrieg der italienischen Faschisten in den Dreißigern, dem 275.000 ÄthiopierInnen zum Opfer fielen. Auf einer kreisrunden Projektionsfläche erscheinen dunkle Zerrbilder der Gewalt, die sich erst in einem Zylinderspiegel zu einem klaren Film zusammenfügen, aus dem Off ertönt dazu ein dumpfer Soundtrack.

Es geht bei Kentridge nicht ums Sehen. Sondern um den Prozess desselben. Animationen dienen nicht dem Selbstzweck, der Unterhaltung allein, die Spiegel nicht der Illusion. Kentridge will unsere Wahrnehmung hinterfragen, unsere Erinnerung. Dabei ist er unaufdringlich politisch. Liefert bestes Kopfkino. Und eine Ausstellung, die alles andere ist als bloß ein Lückenfüller im Sommerloch. Jan Zier

12. August bis 23. September in der Kunsthalle Bremen