Der Kurfürstendamm war das Eldorado für die Spekulanten, dann fiel die Mauer
: Das Geld zerstört mehr als der Krieg

VON ESTHER SLEVOGT

DIE LEUTE VOM KURFÜRSTENDAMM

Bis vor kurzem wohnte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit noch am Kurfürstendamm. Jetzt ist er in eine der Seitenstraßen gezogen. Doch immer noch lebe er in Laufnähe „der Apotheke und des Theaters seines Vertrauens“, zitiert Friedrich Barner den Bürgermeister und grinst.

Das Theater, von dem die Rede ist, heißt „Schaubühne am Lehniner Platz“, Friedrich Barner ist einer seiner beiden Direktoren. Das Gebäude, das seit 1981 diese legendärste westdeutsche Theatergründung nach dem Krieg beherbergt, ist der spektakulärste Bau am Kurfürstendamm: das ehemalige Kino „Universum“ wurde von Erich Mendelsohn 1928 erbaut, als der Kurfürstendamm noch Berlins Broadway war.

In den 70ern sollte das Haus für einen Kaufhausneubau abgerissen werden. Damals war Westberlin am Tropf von Bundessubventionen zum Eldorado für Spekulanten geworden. „In dieser Zeit ist hier mehr zerstört worden als im Krieg“, sagt Friedrich Barner. Die Rettung des Mendelsohn-Baus, der 1979 im letzten Moment unter Denkmalschutz gestellt wurde, sei ein Signal, „auf das man sich immer noch beziehen muss“, sagt er. Barners Sorge gilt inzwischen der Nachkriegsmoderne, die überall massiv vom Abriss bedroht oder schon abgerissen worden ist. Diese Gebäude sind zu klein, zu bescheiden, zu unspektakulär für das großmannssüchtige neue Berlin.

Um bei Stadtentwicklungsfragen rund um den Kurfürstendamm mitreden zu können, ist Barner im Vorstand der AG City Berlin aktiv. Das 1979 gegründete Netzwerk aus City-West-Akteuren versucht, die spezielle Kurfürstendamm-Mischung aus Kultur und Konsum zu erhalten und eine politische Lobby zu bilden. Das sei, sagt Barner, ein ständiges, nicht immer produktives Lavieren und Taktieren im Kompetenzgerangel zwischen Bezirk und Senatsverwaltung. Zugleich aber eine Tätigkeit, die dem Theatermanager eine Portion Lebenswirklichkeit biete. „Zwar geht es in der Schaubühne immer um Leidenschaft, Liebe und Tod. Und um die Frage, wie man in den alten Theatertexten unsere heutige Lebenswirklichkeit abbilden kann.“ Aber eine Inszenierung sei irgendwann fertig, der Kurfürstendamm dagegen nie.

An die Schaubühne kam der promovierte Jurist des Jahrgangs 1956 wenige Monate vor dem Mauerfall. Für Friedrich Barner ist es bis heute unvergessen, wie am Morgen des 10. November sich der Kurfürstendamm langsam mit Ostberliner Bürgern füllte, die nun zum ersten Mal diesen Traumpfad des Konsums, das Schaufenster des Westens leibhaftig betreten konnten. Für den Kurfürstendamm kamen dann allerdings erst einmal schwere Zeiten. Denn die Entzauberung, die nun einsetzte, hat die Straße lange nur schwer verkraftet.

Inzwischen ist sie wieder im Aufwind. Man könne beobachten, dass der Ost-West-Unterschied immer unwichtiger werde, sagt Barner, und dass bei der Stadtentwicklung Fragen der gesamten Stadt ins Zentrum rückten. Für Westberlin und den Kurfürstendamm sei der Mauerfall jedenfalls die Rettung gewesen. „Sonst wären wir hier längst eine verkehrsberuhigte Ökozone.“