Film aus, Debatte an

USA Hollywoodszene kritisiert die Entscheidung, „The Interview“ nicht ins Kino zu bringen

„Ich lasse mir nicht sagen, dass ich diesen Film nicht zu sehen habe“

GEORGE CLOONEY

VON RIEKE HAVERTZ

BERLIN taz | Leben, Freiheit und das Streben nach Glück. In der Präambel der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung manifestiert sich der Freiheitsgedanke als fester Bestandteil der US-Identität. Geld regiert, auch in Hollywood. Und nun lassen sich die Amerikaner diese Freiheit ein Stückchen nehmen.

Die Hackergruppe „Guardian of Peace“ hatte Sony angegriffen und dabei nicht nur interne Dokumente und E-Mails der Produktionsfirma erbeutet und danach im Internet veröffentlicht. Sie sprach Drohungen gegen die Veröffentlichung des Films „The Interview“ aus. Um die Ausstrahlung zu verhindern, wurden auch Anspielungen auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 gemacht, Amerikas großes Trauma. Sony zog daraufhin den für den ersten Weihnachtsfeiertag geplanten Kinostart zurück.

Prompt hat der Vorfall eine Kulturdebatte ausgelöst. Ist Amerika bereit, sich einschüchtern zu lassen, sich seine Freiheit durch anonymer Hacker nehmen zu lassen?

Die politisch eher linke Hollywoodszene ist entsetzt. Der Schauspieler George Clooney sagte in einem Interview mit der Internetseite Deadline Hollywood: „Ich lasse mir nicht sagen, dass ich diesen Film nicht zu sehen habe. Das ist das Wichtigste, wir können uns nicht vorschreiben lassen, etwas nicht zu sehen, nicht von fucking Kim Jong Un.“ Nicht nur Clooney, auch US-Präsident Obama macht Nordkorea für den Hackerangriff verantwortlich. Das Regime hatte sich öffentlich seit Monaten über die Komödie mit Seth Rogen und James Franco in den Hauptrollen beschwert, belastbare Beweise, dass es hinter dem jetzigen Angriff steckt, gibt es aber nicht.

Clooney, stets öffentlichkeitswirksam politisch aktiv, versuchte, eine Petition zur Unterstützung für Sony und den Film zu starten, doch niemand in Hollywood sei bereit gewesen, zu unterschreiben. Was Clooney wohl jetzt zu seiner öffentlichen Kritik bewog.

Nicht nur er ist irritiert, auf Twitter äußern sich viele andere Prominente zu der Entscheidung, den Film nicht zu veröffentlichen. Der Schriftsteller Stephen King nennt es eine „beunruhigende Entscheidung“, der Regisseur des Films, Judd Apatow, „schändlich“. Der Schauspieler Ben Stiller twittert: „Sehr schwer zu glauben, dass das die Antwort ist auf einen Angriff auf die Meinungsfreiheit hier in Amerika.“ Und der TV-Moderator Jimmy Kimmel nennt es „einen unamerikanischen Akt von Feigheit“.

Ein Hackerangriff, und schon wird über die großen Fragen debattiert, Gut gegen Böse, Freiheit gegen Diktaturen und ein klassisches Hollywood-Ende kann nur darin resultieren, dass der Film wenigstens den Weg über einen Blog in die Öffentlichkeit findet und so mehr Zuschauer erreicht als jemals im Kino.

Doch die Empörung verschleiert, dass die Entscheidung, den Film nicht zu zeigen, recht gut den Zustand der amerikanischen Gesellschaft beschreibt. Denn diese ist in vielen Teilen mehr und mehr von Angst geprägt – vor Terror, vor Einwanderung, vor gewalttätigen Übergriffen.

Eine gestoppter Filmstart scheint dagegen eine Marginalie zu sein. Aber es geht ja um die eigene Freiheit. Ein klassisches Hollywoodmotiv.

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