Hamburg erwägt zu handeln

Eine vertrauliche Senatsdrucksache schlägt autofreie Sonntage, mehr Radverkehr, Solarenergie und Gebäudedämmung als Maßnahmen zum Klimaschutz vor. Die Opposition vermisst Konkretes

Von Sven-Michael Veit

Drei Zwischentitel geben die politische Richtung vor: „Der globale Klimawandel findet statt“, heißt es in dem vertraulichen Entwurf einer Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft über das „Klimaschutzkonzept Hamburg 2007–2012“, dessen erste Details am Samstag das Hamburger Abendblatt veröffentlichte. „Der Klimawandel kann gebremst werden“, heißt es darin weiter, und schließlich: „Hamburg kann handeln.“ Wie, das wird auf 82 Seiten Senatsdrucksache ausführlich skizziert.

Eine neue Verkehrspolitik für Hamburg wird dort gefordert, die Förderung regenerativer Energien sowie die Nutzung von flächendeckenden Einsparmöglichkeiten beim Energieverbrauch in privaten Wohnungen, öffentlichen Gebäuden und der Wirtschaft.

In drei entscheidenden Punkten bleibt das Konzept, das auch der taz vorliegt, vage. So gibt es keinerlei Finanzierungsvorschläge, keinen Zeitplan und keine klare Vorgabe, bis wann und um wie viel die Stadt den Ausstoß des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) senken will.

Um „Geduld“ bittet da auch Christof Otto, Sprecher von Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Wenn der Regierungschef das Konzept offiziell vorstelle – vermutlich in zwei Wochen –, „werden auch diese jetzt noch offenen Fragen beantwortet werden“, versichert Otto. Den Termin will er aber nicht bestätigen. Denn noch seien „etliche Details zu klären“, sagt Otto. Vor allem auf den drei wichtigsten Feldern der Klimaschutzpolitik:

Mobilität: Angeregt werden vier autofreie Sonntage auf freiwilliger Basis, an denen die Nutzung des HVV unentgeltlich ist. Busse und Bahnen in Hamburg sollen ohnehin häufiger fahren, Radwege ausgebaut, bewachte Radstationen an allen größeren Bahnhöfen sowie Bike & Ride-Plätze an sämtlich U- / S-Bahnhöfen eingerichtet werden. Etliche Ampelkreuzungen sollen durch Kreisverkehre ersetzt werden, hinzu kommen Elemente „intelligenten Verkehrsmanagements“.

Gebäude: Künftig soll in Hamburg nahezu alles gefördert werden, was die Energieeffizienz erhöht und fossile durch erneuerbare Energien ersetzt. Die Dämmungen von Außenwänden und Dächern gehört ebenso dazu wie die Erneuerung von Fenstern, auch die Installation von Solarzellen, Photovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerken soll bezuschusst werden. Für Neubauten und neue Wohnsiedlungen werden die ökologischen Anforderungen deutlich erhöht: Ziel ist letztlich das Niedrigenergiehaus.

Energieerzeugung: Der Energiemix Hamburgs soll bis 2025 modifiziert werden. Der Anteil von Gas und Öl soll von jetzt etwa 70 Prozent auf unter 50 Prozent gesenkt werden, die Erneuerbaren Energien von zurzeit etwa drei auf 20 Prozent wachsen. Das fehlende Drittel jedoch müsste demnach weiterhin aus Kohle- und Atom kommen. Am geplanten Steinkohlekraftwerk Moorburg hält der Senat offenbar ebenso fest wie an der Forderung, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern.

Darüber hinaus schlägt die Drucksache eine Vielzahl weiterer Maßnahmen vor. Dazu gehören klimapolitische Studiengänge und Forschungsschwerpunkte an Hamburger Hochschulen, das vermehrte Pflanzen von Bäumen, die „vollständige Umstellung“ der Wattenmeer-Insel Neuwerk auf regenerative Energien oder auch ein „Fahrtraining für energiesparendes Fahrverhalten“ bei Polizei, Feuerwehr, Stadtreinigung und im sonstigen öffentlichen Fuhrpark. Nicht zuletzt soll im Mai nächsten Jahres ein ökologischer „Hamburg Summit“ veranstaltet werden: Auf dieser mehrtägigen Konferenz mit „hochrangigen Vertretern“ der Partnerstädte Chicago und Shanghai könnte publicityträchtig der Klimaschutz befördert werden.

Für SPD-Spitzenkandidat Michael Naumann ist das alles „ein Sammelsurium, das im krassen Widerspruch zur bisherigen Senatspolitik steht“. Noch besser als autofreie Sonntage im nächsten Jahr sei „ein CDU-freier Senat, denn Rot-Grün kann es besser“, sagt Naumann. GAL-Faktionschefin Christa Goetsch wiederum liest in dem Papier „viele Forderungen“, für die Grüne „jahrelang ausgelacht wurden“. Ohne klare Angaben zu Finanzierung und Zeitplänen aber enthalte das Konzept „viele Leerstellen“.

Allerdings dürfe der Bürgermeister am 28. August gern ein ernsthaftes Konzept zur Verbindung von Ökologie und Ökonomie präsentieren, sagt Goetsch. Am selben Tag wird sie 55 Jahre alt – und hätte gegen „ein grünes Geburtstagsgeschenk für Hamburg“ nichts einzuwenden.

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