„Klimaschutz wäre ein gutes Thema“

Immer mehr Billig-Airlines fliegen die exklusive Nordsee-Insel Sylt an. Zu tun hat das mit dem Trend zum Kurzurlaub, sagt der Lüneburger Tourismuswissenschaftler Edgar Kreilkamp. Das Publikum auf der Insel ändere sich dadurch aber nicht

EDGAR KREILKAMP, * 1949, Vizechef der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft, lehrt in Lüneburg BWL und Tourismusmanagement.

INTERVIEW KLAUS IRLER

taz: Herr Kreilkamp, auf Sylt boomt nicht nur der Flughafen, es landen dort auch immer mehr Billigflieger. Schon befürchten überregionale Medien, Sylt sei auf dem Weg zu einem „Mallorca des Nordens“. Zu recht?

Edgar Kreilkamp: Das halte ich für übertrieben. Die Billig-Linie bieten zwar günstige Preise, dass heißt aber nicht, dass die Menschen in den Flugzeugen auch wenig Geld haben. Untersuchungen zeigen, dass die Billig-Flieger von allen Schichten genutzt werden, sogar etwas überproportional von Menschen mit viel Geld.

Die Leute sparen beim Flug und zahlen aber abends auch mal einen dreistelligen Betrag für ein Essen?

Durchaus. Wir haben einen Trend hin zu Kurztrips und da ist der Flug aus Sicht der Touristen schlicht ein Beförderungsmittel, mit dem man schnell und billig irgendwo hinkommt. Das Sparen beim Flug sehen sie als Cleverness. Wenn man dann auf Sylt im Restaurant sitzt, geht es nach dem Motte: Ich gönne mir etwas, weil das gut für mich ist.

Ist durch die vielen Kurzurlaube mit den entsprechenden An- und Abreisen die viel beschworene Ruhe auf der Insel in Gefahr?

Nein, der Begrenzungsfaktor sind da eher die Übernachtungsmöglichkeiten, da die meisten, die mit dem Flugzeug kommen, auch übernachten. Wichtig wäre ein Infrastrukturkonzept für die gesamte Insel, das genau diese Aspekte berücksichtigt. Das ist sehr viel wichtiger als die Begrenzung im Flugbereich. Eher problematisch war da die Phase der Billig-Tickets der Bahn, mit denen viele Personen für einen Tagesausflug nach Sylt gefahren sind. Aber eine solche Entwicklung kann man beim Flug nicht feststellen.

Was ist entscheidend für die Besucherstruktur auf der Insel?

Die Besucherstruktur hat vor allem damit zu tun, welche Angebote es auf der Insel gibt. Sylt hat das Image, dass es exklusiv ist und das trifft auch auf weite Teile der Insel zu. Aber Sylt ist nicht nur exklusiv: Es gibt da auch Ecken, wo es eher preiswerter ist.

Aber man will sich klar durch Exklusivität positionieren.

Ja, das ist auch die Chance von Sylt im Wettbewerb. Dadurch ist Sylt nicht so austauschbar wie viele andere Inseln. Aber eine solche Position ist schwer zu halten. Früher hat man das dadurch geschafft, dass es sehr viele Prominente auf der Insel gab und die Presse darüber berichtet hat. Jetzt ist man in einer Phase in der man sagt: Man muss auch investieren in weitere exklusive Angebote und mit der Infrastruktur Schritt halten. Auch, weil eine ganze Menge Konkurrenz in Mecklenburg-Vorpommern erwachsen ist.

Nämlich?

Der Sylter Flughafen hat im ersten Halbjahr 2007 fast ein Viertel mehr Gäste registriert als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres. Bis Ende Juni 2007 lag das Passagieraufkommen nach Angaben des Flughafengeschäftsführers Peter Douven bei rund 51.000 Fluggästen. Seinen Berechnungen zufolge sollen bis Ende des Jahres etwa 125.000 Menschen den Flughafen genutzt haben. Der Zuwachs resultiere nicht „aus mehr Flugbewegungen, sondern basiert vielmehr auf einer besseren Auslastung der Maschinen“, sagt Douven. Die Zahl der Flugbewegungen sei lediglich um 1,6 Prozent gestiegen. Trotzdem führt der Fluglärm immer wieder zu Konflikten. Deswegen hat beispielsweise die Lufthansa Starts und Landungen auf Sylt auf einen Zeitkorridor zwischen 7.50 und 15.35 Uhr begrenzt. Billig-Anbieter Air Berlin stieg im Mai 2006 in das Sylt-Geschäft ein, die Verbindung München–Sylt steht dort aber erst seit diesem Jahr auf dem Flugplan. Zum Einsatz kommt dabei unter anderem der Airbus A 320 mit einer Kapazität von 180 Passagieren.  taz

Orte wie Ahrenshoop auf Fischland-Darß-Zingst oder Heiligendamm, aber auch Rügen und Usedom. Dort hat man sehr viel investiert, hat große und moderne Hotels gebaut und kann auch einen hohen Anspruch befriedigen.

Nun ist der Kurzurlaub im eigenen Land im Trend, gleichzeitig wird das Klima immer unberechenbarer. Wie wirkt sich der Klimawandel auf den Tourismus an und vor der Küste aus?

Sowohl positiv als auch negativ. Auf Sylt spülen die Stürme im Herbst immer eine ganze Menge Strand weg. Das ist ein Problem, das sich verschärfen wird. Außerdem müssen wir damit rechnen, dass aufgrund es Klimawandels der Meeresspiegel ansteigt. Andererseits führt der Klimawandel dazu, dass wir es in Norddeutschland im Schnitt ein bisschen wärmer bekommen: Der Sommer fängt dann schon im April oder Mai an. Wir haben sehr schöne Perioden, aber auch sehr regnerische und stürmische. Die Inseln müssen sich auf beides einstellen. Beim Küstenschutz ist man schon dabei.

Was geschieht in Bezug auf die Ursachen für den Klimawandel?

Es gibt Aktionen, die sich bemühen, den CO2-Ausstoß zu vermindern. Da gibt es im Hotelbereich Entwicklungen bis hin zum Null-Energie-Hotel. Oder Aktionen wie in Mecklenburg-Vorpommern: Wer mit dem Auto anreist bekommt ausgerechnet, wie viel CO2 er während der Fahrt ausgestoßen hat und kann dann eine entsprechende Anzahl Bäume in einem so genannten Touristenwald pflanzen. Das schafft Bewusstsein, aber auch Ausgleich, ähnlich wie die CO2-Zertifikate im Flugbereich. Im Übrigen wäre es sicher auch ein gutes Thema für Sylt, eine weitere Vorbildfunktion in Sachen umweltverträglicher Tourismus zu übernehmen.