Legendenbildungsauftrag

Die Dokumentationen über Che Guevara und Peter Alexander zeugen von Möglichkeiten und der Begrenztheit des Fernsehens und beweisen, dass man nur mit Bildern etwas gut erzählen kann

Zu Beginn des Films über Che Guevara kommt der Hinweis: „Er hat nur noch elf Monate zu leben.“ Man kann das als Verzweiflungstat der Filmemacher lesen: Bleibt dran, Leute, am Ende kommt noch der Knaller! Das klappt nur nicht so recht. Denn die Dokumentation hat ein Problem: Che Guevara ist nicht Peter Alexander.

Heute läuft in der Reihe „Die letzten Tage einer Legende“ auf Phoenix eine Dokumentation über den kubanischen Revolutionär Ernesto Guevara. Nächste Woche dreht es sich in der ebenfalls heute beginnenden ARD-Reihe „Legenden“ um den österreichischen Tortenheber Peter Alexander. Es geht um Zeitgenossen in radikal verschiedenen Kontexten. Doch abgesehen davon sind die Reihen als Kritik des Fernsehens an sich selbst lesbar: Sie zeugen von der Möglichkeit und Begrenztheit des Mediums.

Man kennt das aus Nachrichtensendungen: Es gibt nichts zu bebildern, also wird ein leeres Rednerpult gezeigt. Die Sprecherin sagt: „Am Abend will Angela Merkel vor die Presse treten.“ Fernsehen ist bilderabhängig, und die Guevara-Doku leidet darunter. Um seine Geschichte mit dem spärlichen Bildmaterial umsetzen zu können, wird überall getrickst. Schwarzweißfotos werden langsam abgefilmt, die raren Filmszenen werden nachträglich mit Hintergrundgeräuschen und dramatischer Musik unterlegt. Ständig wechseln die Zeitzeugen, die „Ex-Guerilla“ oder „Ex-Militär“ heißen. Man verliert schnell den Überblick, wer spricht und was ihn dazu legitimiert. Geradezu lächerlich geraten die Nachstellungsversuche, wenn verschwommene Bilder von Guevaras Hinrichtungsstätte gezeigt werden und drei Gewehrschüsse dazu animieren wollen, sich seinen Tod auszumalen. Die Kamera verweilt auf einem bolivianischen Flusslauf, den die Guerillas überquerten. Wasser glitzert, und gebirgsgrün locken die Wiesen. Um wenig wird hier viel Brimborium gemacht; eine „christusgleiche Figur“ wird romantisch verklärt. Die Macher haben einfach zu viel Guido Knopp gesehen.

Wo keine Kameras sind, kann das Fernsehen nicht plausibel erzählen. Doch wo Peter Alexander war, gab es, anders als bei Guevara, immer Kameras: Er ist eine frühe Leitfigur des deutschen Fernsehens. In den Siebzigern hatte er mit seinen Shows Einschaltquoten von 80 Prozent, er drehte 57 Filme und nahm unzählige Schallplatten auf. Selbst dass Peter Alexander, letztes Jahr 80 geworden, für die Dokumentation nicht vor die Kamera tritt, ist nicht schädlich, seine Abwesenheit ist vielmehr inhaltliche Aussage. Sein Freund Paul Kuhn sagt: „Er will nicht mehr, und ich kann das verstehen.“ Durch Alexanders Interviewverweigerung also wird das Glitzernde, aber auch Ermüdende, der schöne Schein des Fernsehens thematisiert – und nicht zur Überdeckung von Substanzlosigkeit verwendet. Der Film, der von Archivmaterial und Aussagen von KollegInnen lebt, gewinnt dadurch sogar. Und so steht am Ende die Erkenntnis, dass das Fernsehen, wenn es sich an der selbst produzierten Bilderflut wie im Fall Alexander nährt, privilegiert erzählen kann. Aber dass es gegen eine Bilderebbe, wie im Fall Guevara, einfach nichts machen kann. AL, RAA

Phoenix: „Die letzten Tage einer Legende“, täglich außer sonntags, je 22.15 Uhr; heute „Che Guevara“. ARD: „Legenden“, achte Staffel, heute, 21.00 Uhr „Lale Andersen“; 19. 8., 21.45 Uhr „Peter Alexander“