Vorstellungsrunde

Schwäche für Jackie

Kommst du heute Abend mit, fragt Nina. Bevor ich antworten kann, fügt sie hinzu: Die lachen alle schon und behaupten, ich wäre mit einem Phantom zusammen. Ein bisschen so fühle ich mich auch, sage ich. Kneifen gilt nicht, sagt Nina. Sie hat recht: Ich habe es allzu lange herausgezögert. Wir sind seit Monaten zusammen, und ich kenne noch nicht einmal ihre beste Freundin.

Das ist Timo, höre ich Nina sagen und setze mein Gewinnerlächeln auf. Es hilft wenig. Ein paar Blicke, Begrüßungen, dann gehen die Gespräche weiter. Während sich meine Liebste mal hier, mal dort einklinkt, will mir partout nichts einfallen. Alles halb so schlimm und mit den versprochenen Freigetränken sicher gut zu ertragen. Gegenüber chillen Styler im Kopfspringer, einer dieser angesagten Spree-Locations. Und ich sitze hier in einem Pulk aufgebrezelter Geburtstagsgäste. Meine Liebste habe ich längst aus den Augen verloren.

Und was machen Sie?, höre ich plötzlich von scharf rechts. Ich drehe mich um. Da sitzt Jackie Kennedy. Leibhaftig. Ich bin perplex, fange mich aber wieder. Ich schreibe, sage ich vieldeutig. Ach, wie fein, ruft sie aus, Bücher – ich mag gute Bücher! Was sind für Sie gute Bücher, frage ich. Das kann ich Ihnen schwer sagen, sagt sie, ich merke mir nie Autoren oder Titel, ich kaufe nach dem Cover. Da ist er endlich! Der Beweis, dass es die Kundin der Marketingagenturen nicht nur statistisch gibt. Meine Neugier ist geweckt. Und für Jackie hatte ich zugegebenermaßen immer schon eine Schwäche. Nach dem dritten oder vierten Gin Tonic zwickt mir meine Liebste in den Arm: Gehn wir? Mensch, fragt sie, als wir beim Auto sind, musstest du dich so lang mit dieser aufgetakelten Person abgeben? Meine Freundinnen reden schon.TIMO BERGER