Flockig, fluffig gereimt

Gut, Haftbefehl, das wissen wir aus den zuständigen Medien, ist also der größte lebende Dichter deutscher Sprache. Da können Mortis und Pilskills natürlich nicht mithalten. Im Gegensatz zum Offenbacher Vorzeigerabauken verhandeln diese beiden Berliner Rap-Acts in ihren Reimen aber auch nur selten existenzielle Themen wie abgefickte Ärsche, großkalibrige Waffen oder die Risiken und Nebenwirkungen des Einzelhandels mit bewusstseinsverändernden Substanzen.

Nein, echt nicht. Die Konkurrenz für David und Martin, die auch viele Jahre nach der Gründung auf dem Schulhof immer noch unter dem mittlerweile nur mehr leidlich komischen Namen Pilskills firmieren, ist nicht der Straßenrapper Haftbefehl, sondern eher Die Fantastischen Vier. So flockig und fluffig kommen auf „Menkenke aufm Mont Klamott“ ihre Beats daher, so fröhlich sind ihre Texte. In denen erzählen die beiden von einem „Jugo namens Thorsten“, von Bio-Gourmets oder von „Hausaufgaben und Pickeln“. Sie berlinern, labern, erinnern sich, quatschen und fabulieren in besten Momenten fast so hintersinnig wie ein Käptn Peng. Aber sie fragen auch „Was soll das denn?“, schauen durchaus scharfsinnig auf Alltagsprobleme und rekapitulieren in „Ach du meine Nase“ am Beispiel Friedrichshain die Veränderungen, die Berlin durchlaufen hat im vergangenen Vierteljahrhundert. Tatsächlich gelingt Pilskills mit diesem Album etwas, worauf man schon gar nicht mehr zu hoffen wagte: intelligenter, selbstironischer Rap von und für Menschen, die keine Chance auf eine Karriere als Kleinkriminelle hatten.

Aus solch einem Umfeld stammt auch Marc Junge. So hieß Mortis, als er im Südharz aufwuchs. Von dort hat es ihn über den Umweg Hannover schließlich nach Berlin verschlagen. Den Weg dorthin verarbeitet der nun 29-Jährige auf seinem neuen Album „Hollywoodpsychose“ zu einer nahezu klassischen Coming-of-Age-Erzählung über 13 Tracks. In der erliegt der jugendliche Held zwischenzeitlich den Verführungen der Großstadt, verliert sich in Irrungen und Wirrungen, um sich schließlich selbst zu finden und aus den Prüfungen gestärkt herauszufinden. Diesen stark autobiografischen Bildungsroman erzählt Mortis in durchaus adäquaten, aber bisweilen auch etwas ungelenken Reimen, die aber sicherlich keine Konkurrenz darstellen für den größten lebenden Dichter deutscher Sprache. THOMAS WINKLER

■ Pilskills: „Menkenke aufm Mont Klamott“ (Chefhain Weltrekords/HHV.de), Record Release Party am 27. 12. im Supamolly

■ Mortis: „Hollywoodpsychose“ (Showdown/Warner)