unterm strich
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Aus seinen zeitweiligen Nazisympathien hat der Filmregisseur Ingmar Bergman nie ein Hehl gemacht. Zwischen 1936 und 1946 habe er „Hitler geliebt“, berichtet er in seiner Autobiografie „Laterna Magica“. Und nach der deutschen Niederlage habe er „getrauert“. Noch 1945 hatte er die Bilder aus den Konzentrationslagern für alliierte Propaganda gehalten. Erst 1946 habe er die Wahrheit verstanden.

Nicht nur in Schweden tauchte dieser Aspekt in den Nachrufen seltsamerweise nicht auf. Bis vor einer Woche Daniel Sandström, Kulturchef der Tageszeitung Sydsvenska Dagbladet aus Malmö nach einem erneuten Blättern in „Laterna Magica“ fragte, welche Parallelen es eigentlich zwischen der Waffen-SS-Vergangenheit von Günter Grass und Bergmans Nazi-Sympathien gebe. Keine, meint Sandström letztendlich, denn weder habe Bergman eine „vergleichbar dunkle“ Vergangenheit noch hätte er sich in aktuelle gesellschaftliche Debatten in solch exponierter Form eingemischt wie Grass.

Es bleiben Fragen, betont Sandström: Folge man nicht allzu unkritisch Bergmans eigener Beschreibung, mit welcher dieser „seine Nazisympathien in allzu hohem Grad als Jugendverfehlung“ zu qualifizieren versuche? Sei das glaubwürdig, schließlich sei er Anfang der Vierziger ein erwachsener Mann gewesen?

Am Sonntag griff die Schriftstellerin und Journalistin Maria-Pia Boëthius diesen Faden im Stockholmer Svenska Dagbladet auf. Sie klagt die Nachrufverfasser an, „feiger als Bergman selbst“ zu sein: „Versuchen sie, ihn vor sich selbst zu retten?“ Sandström hofft auf eine unabhängige Ingmar-Bergman-Biografie. Dies sei umso mehr notwendig, als hinter seinen eigenen Nazi-Enthüllungen in „Laterna Magica“ natürlich die meisterhafte Regie des „Kontrollmenschen Bergman“ stehe. Boëthius schreibt, dass sie sich an ein Interview erinnere, in welchem sie Bergman 1999 auf sein Wissen über die Pogromnacht und die Judenverfolgung angesprochen hatte. Die meisten seiner Antworten habe sie aus der autorisierten Fassung des Interviews wieder streichen müssen. Boëthius: „Irgendwann möchte ich das unzensierte Interview einem mutigen Forscher geben – falls es den geben sollte.“ REINHARD WOLFF