KURZKRITIK: HENNING BLEYL ÜBER EMDEN AUSSENHAFEN
: So viel Solo war nie

Wenn Blaumeier zu neuen Grenzen vorstößt, kann das Einiges bedeuten. Schon geographisch verortet sich „Emden Außenhafen“ ganz am Rand der festländischen Welt, aber auch ästhetisch streckt sich das Atelier mit dieser Produktion faktisch neuen Gefilden entgegen. Der „Chor Don Bleu“, bislang bekannt als Blaumeiers Vokalkollektiv, verwandelt sich in eine Solistenschar mit dem Präfix „wunderbar“.

Deren theatrales Setting ist gut gewählt: Im letzten Lokal vor der Fähre harrt eine Kellnerschar ihrer Kunden, die der Wind sehr vereinzelt oder auch in plötzlichen Sturmclustern herein weht – samt einer Vielfalt von Stimmungen.

Wenn auffällig ist, wie viele Einzelne im Emder Außenhafen zur Geltung kommen, entspricht das einer schon länger zu beobachtenden Entwicklung der Blaumeiers hin zu kammertheatralen Formen – in den früheren Phasen machte das Atelier vor allem mit großformatigen Open Air-Spektakeln im besten Wortsinn Furore. Diese Entwicklung hat nun, ohne die kollektiven Qualitäten deswegen aufzugeben, die ganz individuelle Ebene erreicht, und was dort zu erleben ist, begeistert: Etwa Melanie Socher, die für ihren Song als „Freiheitlich Liebende“ mit Sträußen der besonderen Art belohnt wird: Brokkoliröschen, die, zumindest bei genauerer Betrachtung, ästhetisch ebenfalls erstaunlich sind. Oder Denise Stehmeier, eine wahre Tüll-Schönheit, deren Stimmungs-Portfolio weit über üblichen Friesennerzherzschmerz hinausgeht. So viel Solo war nie.

Am 3.,  4. und 18. September, jeweils 20 Uhr in der „Schaulust“ im Güterbahnhof. Der 16. 9. ist bereits ausverkauft