Selbstzitate unter Wasser

INSTALLATIONEN Der österreichische Shooting Star Markus Schinwald lässt im Kunstverein Hannover Fische miniaturisierte Kunstwerke umschwärmen und zeigt gefilmte Menschen in Extremsituationen

Mit Angaben zu seiner Biografie geizt er. Gerade mal „Geburtsjahr: 1973“ und „Ort: Salzburg“ gibt Markus Schinwald an, der Shooting Star der österreichischen Kunstszene. Erst auf Nachfrage erfährt man von einem Studium der Kulturwissenschaften in Linz und Berlin, von seiner Begeisterung für Oper und Theater. Dafür listet der Katalog umso mehr internationale Ausstellungen und Beteiligungen auf, zurzeit ist Schinwald gar stolzer Vertreter Österreichs auf der Biennale in Venedig.

Die Selbstüberzuckerung verstellt ein wenig den Blick auf ein ansehnliches, in seiner versuchten Vielseitigkeit eigentlich ganz sympathisches Werk, das Schinwald vorzuweisen hat: Er beschäftigt sich mit dem menschlichen Körper, der Psyche und ihrer Analyse, der Prägung durch Rituale und der Verstrickung in Konventionen, die unversehens in Zwänge umschlagen können. Alles Themen also mit durchaus auch gesellschaftskritischer Relevanz. Vom Kunstverein Hannover hat Markus Schinwald nun sämtliche Räume überlassen bekommen und theatralisch versiert in einen atmosphärischen Parcours mit einem geradezu bombastischen Mittelteil verwandelt.

Er bedient sich dabei unterschiedlichster künstlerischer Techniken. Eine über mehrere Jahre entstandene 16-teilige Serie aus Pigmentdrucken beispielsweise widmet er dem Porträt der Faltung: Lithografische Bildnisse aus dem 18. Jahrhundert werden am Computer dergestalt manipuliert, dass zumeist textile Draperien die Köpfe, oder zumindest die Augenpartien verhüllen. Da wird die historische Kleidung zur Metapher für die Verstricktheit der Spezies, die ihrer individuellen Identität verlustig zu werden droht.

Abgelagertes Material

Generell prägt der Rückgriff auf abgelagertes Material Schinwalds künstlerische Konzeptionen. Wäre man boshaft, könnte man schon die Drucke als bessere Photoshop-Übung desavouieren. Seine Objekte jedoch geraten mitunter recht einfältig: Wenn er – obendrein nachgemachte – Chippendale-Möbelbeine zwischen überdimensionierte horizontale wie vertikale weiße Sockel klemmt oder auf edle hölzerne Basen drapiert, erreicht das nie den lockeren Witz von Erwin Wurms Möbel-Assemblagen, geschweige gar die ruppige Raffinesse eines Franz West – um zwei Landsleute zu nennen.

Den großen Hauptsaal des Kunstvereins mitsamt zweier Annexe tauchte Schinwald in ein dunkles Rot. Den Saal besetzt eine gut zwanzig Meter lange, mächtige, ebenfalls rote Box. In ihre Seitenwände sind sieben Aquarien eingestellt, die jeweils als Selbstzitate die modellhafte Verkleinerung einer Ausstellungsinstallation Schinwalds präsentieren, belebt mit Fischschwärmen unterschiedlicher Gattungen. Hier kokettiert Schinwald, sagt er selbst, mit „hobbykreativen Milieus“ – zudem seien zehn Minuten Betrachtung eines Aquariums allemal spannender als drei Minuten eines faden Films.

In Zwangssituationen

Was einen dann natürlich sehr genau seine zweiteilige Filmarbeit „Orient“ anschauen lässt, die der Ausstellung den Titel lieferte und zeitgleich auch in Venedig läuft: Eine wohl gesetzte Choreographie, in Szene gesetzt mit fünf professionellen Darstellern und Akrobaten in einer aufgelassenen Wiener Brauerei, bietet einen originellen Zugriff auf sein Generalthema, den menschlichen Körper in allerlei Zwangssituationen.

Es scheint, als finde der edle, teure, theatralisch inszenierende Grundtenor Markus Schinwalds hier ein adäquates Medium – was einen mit der ansonsten etwas ermüdenden Ausstellung dann doch versöhnt. BETTINA MARIA BROSOWSKY

bis 6. November, Kunstverein Hannover