Superstar

In einer Zeit, in der „Superstar“ eine Berufsbezeichnung für minderbegabte und -bezahlte Angestellte der Unterhaltungsindustrie geworden ist, sind die Erinnerungen an eine Zeit, in der Madonna, Michael Jackson und nicht zuletzt der bisweilen ziemlich erratisch agierende George Michael ein verblassendes Leuchten im Nebel des Vergessens. Seines eigenen Bildes überdrüssig geworden, versuchte sich Michael zur Veröffentlichung seines zweiten Solo-Albums, „Listen without Prejudice, Vol. 1“ mit einer counterintuitiven Werbestrategie: keine Promointerviews und keine Musikvideoauftritte. Das Ganze ging nach hinten los. Oder dahin, wo bei einem echten Superstar hinten ist: „Nur“ 8 Millionen verkaufte Einheiten galten als echte Enttäuschung, der zweite Teil des Albums wurde nie veröffentlicht und der Künstler war die darauf folgenden Jahre in eine juristische und publizistische Schlammschlacht mit seiner Plattenfirma verwickelt. Mehr als fünf Jahre sollten bis zur nächsten LP-Veröffentlichung vergehen, unterbrochen 1993 von der EP „Five“, die den grandiosen Auftritt beim Gedenkkonzert für Freddy Mercury dokumentierte. Spätestens da fiel auf, dass George Michael zwar eine unvorteilhafte Kleiderauswahl zur Schau stellte (lachsfarbener Zweireiher!), ansonsten aber der einzige der anwesenden Künstler war, der dem verstorbenen Mercury stimmlich auch nur entfernt ebenbürtig war.

Überhaupt: die Stimme! Eine gewisse Bereitschaft, den Kitsch zu willkommen zu heißen, sollte schon mitgebracht werden beim Hören der „Without Prejudice“, die Belohnung ist eine der schönsten, schmeichelndsten, umfangreichsten und wärmsten Gesangsstimmen ihrer Zeit. Die zeit- und genreuntypisch auf allzu viel Synthesizer und technischen Schnickschnack verzichtende Produktion konzentriert sich durchgängig auf den Gesang, der auch hier erstaunlich deutliche Anklänge an Freddy Mercury zeigt. Die etwas untergegangene Single „Heal the Pain“ beispielsweise könnte ohne Probleme unter die posthumen Queen-Veröffentlichungen gemischt werden. Die beiden Dance-orientierten Stücke „Soul Free“ und vor allem das zynisch selbstreferenzielle „Freedom 90“ gehören eindeutig zu den besseren Disco-Stücken der frühen Neunziger.

Der unbeschwerte Karrierestart mit „Faith“ (1987) wird hier gebrochen. Ein Superstar sucht nicht zwanghaft das Rampenlicht, im Gegenteil, er meidet es. Es folgte jahrelanges Versteckspiel, dass sich erst nach George Michaels skandalträchtigem Coming-out wieder zu einer sehr selbstbewussten öffentlichen Präsentation wandeln sollte.

Am Montag besuchen George Michael und ein Symphonieorchester die Mehrzweckhalle am Ostbahnhof. Daniél Kretschmar