„150 Yuan – ein Vermögen!“

PEKING, CHINA Wang Cong, 39, Kunsthändler

Neulich habe ich mir einen echten Luxus geleistet. Ich habe eine Schweizer Uhr für umgerechnet 15.000 Euro gekauft. Damit hatte ich seit Jahren geliebäugelt. Sie hat ein Keramikgehäuse und ist deswegen kratzfest. Die Ziffern sind aus Weißgold und leuchten im Dunkeln. Pervers, ich weiß: So viel Geld hat mein inzwischen verstorbener Vater sein gesamtes Leben nicht verdient.

Ich komme aus sehr armen Verhältnissen. Meine Eltern waren Bauern in einem abgelegenen Dorf in der Provinz Henan. Ich erinnere mich an den Staub, der von der mongolischen Steppe zu uns herüberwehte. Drei Geschwister sind wir. Wir alle konnten nicht von dem uns zugeteilten Land leben. Mit Sechzehn verließ ich mein Dorf.

In Peking fand ich Anstellung in einer Autowerkstatt. Viele Aufträge gab es dort nicht. Heute kaum vorstellbar, aber noch in den 90er Jahren hatten nur wenige Pekinger ein Auto. Während wir auf Kundschaft warteten, begann ich zu zeichnen – erst mit Bleistift, dann mit Wasserfarbe.

Ich fand eine Unterkunft in einer Barackensiedlung in Songzhuang, ein damals noch ländliches Dorf am Stadtrand von Peking. Das war mein Glück. In der Nachbarschaft hatten Künstler ihre Werkstätten errichtet. Ich freundete mich mit einem Künstler an. Eines Abends sagte er mir, dass jemand meine Bilder kaufen wolle. Für 150 Yuan – ein Vermögen (entsprach damals 100 DM, d. Red.)!

Heute betreiben wir eine Galerie. Ich selbst male nicht mehr. Wir verkaufen Bilder von anderen Künstlern. In diesem Jahr haben wir unser Gelände auf mehr als 1.000 Quadratmeter erweitert. Inzwischen gibt es immer mehr zahlungskräftige Privatkunden. Besonders gut verkaufen sich Künstler aus Songzhuang, die in Europa malen. Wir erwägen, ein Atelier in Paris zu eröffnen. PROTOKOLL: FELIX LEE