taz-Thema

Guido Westerwelle

■ betr.: „Narziss am Abgrund“, taz vom 29. 8. 11

Ihrer Analyse, lieber Matthias Lohre, kann man sicher weitgehend zustimmen – mich stört allerdings die Klassifizierung als „‚kluger‘ Egozentriker“: Ein Kardinalproblem in der Mediendemokratie ist, dass allzu häufig Eloquenz mit Intelligenz gleichgesetzt wird; das prominenteste Beispiel für diesen fatalen Irrtum war sicher F. J. Strauß.

Westerwelle hat offenbar schon in sehr jungen Jahren begriffen, dass Wahlerfolg in der Demokratie zu mindestens 80 Prozent durch Rhetorik erreicht wird. So etwas lässt sich – ein Minimum an Talent vorausgesetzt – erlernen. Dies hat er bis zu wahrer Meisterschaft, wenn auch manchmal schon an der Grenze zur Lächerlichkeit, ausgebaut: Inhalte, die aus dem Mund anderer einfach „dummes Geschwätz“ wären, verdienen bei ihm immerhin noch das Prädikat „Absonderung erlesener Dämlichkeit“. Was er nicht bedacht hat: In der Opposition kann man mit begnadeter Rhetorik leicht Punkte sammeln. Als Regierung muss man, wie Herr Rösler so gern und folgenlos in Aussicht stellt, „liefern“. Und da sind Intellekt, Charakter und Konzepte gefordert.

Bitbändiger, taz.de

■ betr.: „Narziss am Abgrund“, taz vom 29. 8. 11

Ein kluger Artikel, der Adressat GW täte gut daran ihn, zu lesen. Der Autor analysiert zunächst die psychologischen und die politischen Grundmuster von GW, erkennt, wie diese sich wie ein roter Faden durch die politische Karriere GWs durchziehen. Er identifiziert als Hauptschwäche seine inhaltliche Oberflächlichkeit in Verbindung mit dem steten Versuch, diese durch narzisstisches Blendwerk zu kompensieren. Folgerichtig kommt er zu dem Schluss, dass der nie erreichte staatsmännische Zenit dieses Politikers bereits überschritten ist. Zu guter Letzt schafft er es, diese Erkenntnis auch ohne Häme und billiges Nachtreten rüberzubringen, gute Voraussetzungen, dass etwas „rüberkommt“, hängen bleibt und Einsicht, bei wem auch immer, gedeihen kann. Ein Beispiel vorbildlichen Journalismus. HANS-PETER KLEIN, Ediger-Eller

■ betr.: „Narziss am Abgrund“, taz vom 29. 8. 11

Ich für meinen Teil bin froh, dass wir weder im Irak noch in Libyen mit deutschen Soldaten teilgenommen haben. Und schlimm genug, dass wir derzeit in Afghanistan Soldaten stationiert haben. Während Japaner, Chinesen, Thailänder oder Vietnamesen schlau genug sind, sich aus Afghanistan herauszuhalten, meinen Europäer und Amerikaner, sie könnten mit Militärgewalt Afghanistan verändern.

Aber es wird genauso enden, wie derzeit im Irak. Nach dem Abzug der Amerikaner/Europäer wird Afghanistan von den Taliban wieder zurückerobert und die Clans dort zerstreiten sich, so wie dies dort seit Jahrhunderten der Fall ist. Militäreinsätze in Afrika oder in Asien bringen nichts, außer dass sie viele Steuergelder verschlingen, die hier dann im Staatshaushalt für Schuldenabbau, Straßenbau und Kindergärten fehlen.

Deutsche Soldaten haben nichts in Afrika und in Asien verloren. Die Linkspartei weiß dies gottseidank und ist gegen solche Kriegseinsätze, und auch Westerwelle/FDP haben dies beim Libyeneinsatz beachtet und uns dadurch viele Steuergelder ersparten.

Dafür ein Dankeschön an unseren Außenminister.

Und ich finde es ein Schande, wie hier taz-Autoren in die Kriegsmaschinerie einstimmen und dafür sind, dass deutsche Soldaten auf fremden Kontinenten Kriege führen. taz-Autoren sollten dringend einmal daran denken, dass wir Deutschen zwei Weltkriege mitzuverantworten haben, und da sollten wir nicht schon wieder überall auf der Welt mit Soldaten rummarschieren.

Ganz ganz traurig dieser Artikel der taz: links seid ihr damit schon lange nicht mehr und reiht euch in die Reihe der Kriegsautoren. Eigentlich wäre eure Aufgabe gewesen, die Enthaltung in der UNO zu loben, aber ihr opfert lieber die Friedensethik, um Westerwelle eines auszuwischen. StefanMarc, taz.de

■ betr.: „Merkel stützt Wester-welle“, taz vom 30. 8. 11

Schlimm, dass wir inzwischen nicht mehr spüren, wie korrupt wir als Gesamtgesellschaft geworden sind. Einer wird verdammt, weil er wegen seiner aufrechten Haltung verhindert hat, dass wir demnächst in Libyen auf der Seite der Profiteure stehen. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir bereit sind, uns in außereuropäische regionale Konflikte einzumischen, und, wenn ja, aus welchen präzisen Gründen. Ansonsten stehen wir demnächst im Jemen, in Syrien, in zahlreichen weiteren afrikanischen Staaten und möglicherweise in Mexiko! Das quasi historische Verdienst von Westerwelle ist, dass er uns Anlass gibt, über diese Frage nachzudenken. HEINZ MUNDSCHAU, Aachen

■ betr.: „Narziss am Abgrund“, taz vom 29. 8. 11

Seit der Abwahl als Parteichef hat Guido Westerwelle doch nur noch ein Pöstchen und ist auf dem Abschiebegleis. Er ist der Joschka der FDP.

Wenn man vom Buffet weggeht, drängen die (jüngeren) von hinten nach und belegen die Pöstchen. Da braucht man sich nicht noch mal anstellen. Dass er zurückkommt, wenn die FDP in Berlin nur auf 2 Prozent kommt, ist wenig zu erwarten.

Vielleicht muss er demnächst sogar arbeiten und Steuern zahlen. Oder er wird Chef der Gesundheitskarte oder Griechenland-Wiederaufbauhilfe oder sonst etwas gut Dotiertes. Ich hätte Westerwelle keine nennenswerte Textmenge gewidmet. Pöst chen, taz.de

■ betr.: „Narziss am Abgrund“, taz vom 29. 8. 11

Ja, es ist ironisch, was Westerwelle passiert. Vom aktiven Oppositionsführer zum fettnäpfchentretenden „Pseudostaatsmann“. Er schien irgendwie jegliche Orientierung verloren zu haben.

Und nun enthält er sich beim Thema Militäreinsatz und der möglichen deutschen Beteiligung. Dies trifft doch die berechtigte Kriegsskepsis bzw. Kriegsablehnung der Mehrheit im Lande. Meiner Meinung nach hat hier Westerwelle richtig und gut für unser Land, für unsere Gesellschaft gehandelt; nicht nur wegen der Stimmung im Lande, sondern auch im Bewusstsein deutscher Geschichte.

Ja, es ist ironisch, dass er nun ausgerechnet darüber zu stolpern scheint. Und es ist ironisch, dass er ausgerechnet von Grünen-Politikern dafür gerügt wird. scheipant, taz.de

■ betr.: „Wer gibt zuerst auf – Gaddafi oder Westerwelle?“, taz vom 29. 8. 11

Wenn die FDP sich aus ihrem Wellental retten will, so muss sie Westerwelle fallen lassen, und zwar sofort. Seit dem Politbarometer vom 26. 3. 2010 bildet die FDP das Schlusslicht. Ab dem 18. 6. 2010 dümpelte sie bei 5 Prozent; seit dem 18. 6. 2011 liegt sie unter 5 Prozent, nachdem sie am 27. 3. 2009 noch bei 15 Prozent gelegen hatte. Westerwelle selbst liegt mit - 1,5 Popularitätspunkten weit abgeschlagen am Schluss der zehn bewerteten Spitzenpolitiker Deutschlands.

Westerwelle hat sich seit Jahren als der FDP-Politiker schlechthin positioniert, die FDP war seine Hausmarke. Als Oppositionspolitiker glänzte er durch gutes Marketing, vor allem nachdem der unglückselige Möllemann abgestürzt war. Als Vizekanzler hingegen verlor Westerwelle rasch seine Ausstrahlung. Wie ein quengelndes Kind pflegte er auf das Rednerpult zu trommeln, begleitet von seinen stakkatoartigen Rufen nach Steuersenkung „Mehr netto für brutto“. Aus der Kulisse lächelte Frau Merkel, wohlwissend, dass sie Westerwelle ins Leere laufen lassen wird. Dann gab sie grünes Licht für die Senkung der Mehrwertsteuer für die Touristenbranche. Die Kritik für diese ungerechtfertigte Bevorzugung einer Branche prasselte selbstverständlich auf Westerwelle nieder.

Frau Merkel reist gerne in alle Länder, begleitet von einem Tross von Wirtschaftsleuten; Milliardenaufträge überschwemmen Deutschland. Dagegen wirkt Westerwelle als eigentlicher Außenminister blass, konturenlos– ihm bleiben die Hinterhöfe.

Westerwelle ist nicht der Vorwurf zu machen, dass er in dem von ihm präsidierten UN-Sicherheitsrat sich bei der Libyen-Resolution der Stimme enthielt. Frau Merkel wollte dies so. Jedoch die sture, arrogante Haltung Westerwelles, den Sieg der Gaddafi-Gegner im Bürgerkrieg sich selbst, Deutschland, zuzuschreiben hat nun dem Fass den Boden ausgeschlagen.

Resümiere ich, was Westerwelle an politischen Statements abgegeben hat, so ist er für mich einer der wenigen deutschen Politiker, die liberal zu denken vermögen: Im Jahr 2004 erklärte Westerwelle die Laufzeit von bestehenden sicheren deutschen Kernkraftwerken sollte nicht vorzeitig beendet, sondern wieder verlängert werden. Im Jahr 2010 beschloss dann die schwarz-gelbe Koalition unter der Leitung der Physikerin Dr. Merkel eine Verlängerung der Laufzeiten, um ein Jahr später umzufallen.

Im Jahr 2005 forderte Westerwelle ein deutsches Referendum zur EU-Verfassung: Er erklärte, er halte es für einen großen Fehler, dass in Deutschland das Volk bei derart grundlegenden Fragen nicht befragt werde. Im Februar 2010 nahm Westerwelle das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Anlass, Kritik an dem ausufernden deutschen Sozialstaat zu üben. Westerwelle fordert regelmäßig ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem, die grundlegende Reform der sozialen Sicherungssysteme, die Deregulierung der Volkswirtschaft, die Förderung neuer Technologien sowie mehr Wettbewerb im Bildungswesen. Nach seiner Ansicht kostet die Politik der Gewerkschaften „mehr Jobs, als die Deutsche Bank je abbauen könnte“. Tragisch ist dieses Ende einer politischen Laufbahn. JÜRG WALTER MEYER, Leimen bei Heidelberg

■ betr.: „Westerwelle darf erst mal weitermachen“, taz v. 30. 8. 11

Herr Westerwelle hat sich vielleicht nicht geirrt und langfristig sehr vernünftig reagiert. Wir sind nur zu schnell, ein Urteil abzugeben. Bush, der unter dem Einfluss der Neocons und Israels dachte: „Araber sind nur Barbaren/Beduinen, die nur die Sprache des Stocks verstehen“, hat auch schnell entschieden: „Mission accomplished!“ Die Geschichte wurde später sehr anders geschrieben. Wir werden auch dieses Mal sehen, was die Geschichte entscheiden wird mit Sarkozy und Cameron, wie die beiden den Kuchen teilen werden oder essen und ob sie die Rolle Libyens … vergessen.

SALIM SAMAI, Berlin

■ betr.: „Narziss am Abgrund“, taz vom 29. 8. 11

Ein holder Knabe ist erwacht und sieht sein Bild im Weiher. /

Im Hintergrund, im Sonnenglanz, da singt zu ihrer Leier /

Frau Merkel Lieder wie Apoll und Rösler spielt, die Flöte. /

Doch wer sich in Narziss verliebt, erfährt die größten Nöte, /

Die Amor zu bereiten weiß, per Schuss mit Pfeil und Bogen. /

Ob Nymphe, Jüngling oder Gott, ein jeder wird betrogen.

Das Echo ruft auf alle Zeit und ewig: „Steuersenkung“ /

Wer Wasserspiegelbilder küsst, taucht ab in die Versenkung.

Noch paar Anmerkungen:

“… das Versagen als Pseudostaatsmann …“, schreibt taz-Autor Matthias Lohre.

Wieso Versagen? Niemand hat diese Rolle je besser ausgefüllt als G. W., der Ex-Parteivorsitzende von Möllemanns Gnaden. Schon vergessen? “… sehnen wir uns nach Personen, die bruchlos scheinen; die ihre Haltung vertreten und dazu stehen. Auch und gerade, wenn wir selbst es nicht tun …“

Wer ist wir?

polyphem, taz.de

Frankreichs Ministerpräsident Nicolas Sarkozy und Großbritanniens Ministerpräsident David Cameron feiern ihren Triumph über Gaddafi. Sie ließen mit UN-Mandat im Rahmen der Nato Libyen bombardieren, um den Aufständischen gegen die Diktatur zu helfen, wie sie sagen.

Außenminister Guido Westerwelle hatte in Abstimmung mit Kanzlerin Angela Merkel abgelehnt, die deutsche Armee in Libyen einzusetzen.

Schon das stieß bei allen Parteien und fast allen Medien auf wenig Verständnis.

Nun zögerte er auch noch, die Nato zu loben. Nach massivem Druck aus der FDP und fast aller Medien zollte er nun doch noch der Nato seinen „Respekt“. Das wird ihm nicht mehr helfen. Alle diskutieren trotzdem über seinen Abgang.