Patriotismus führt zu Rassismus

PEGIDA Sie machen Woche für Woche zu Tausenden mobil gegen „Asylbetrug“ und „Lügenpresse“ und fantasieren die Islamisierung der deutschen Gesellschaft herbei. Politiker nehmen „ihre Sorgen“ ernst. Viele Leserinnen und Leser der taz sind alarmiert

■ betr.: „Ich geh ooch ma zum Döner“, taz vom 17. 12. 14

Bei der Lektüre fallen mir zwei Sachen auf/ein: Die „Demonstranten“ sprechen von „der Politik“ wie Höhlenmenschen von den Naturgewalten. Als hätte die Aufklärung nie stattgefunden. Jedenfalls empfinden sie ihre Außenwelt als etwas Bedrohliches, daher ihre Beißreflexe. Eigentlich sollte Gesellschaft doch etwas sein, das alle, also auch diese Unzufriedenen, selbst mitgestalten (und wo dann eben auch jedem gegenseitig Platz und Recht eingeräumt werden muss).

Das Ausländer-Paradox: Es gibt den guten Ausländer (der Döner-Türke etwa, der arbeitet fleißig und ist „in Ordnung“) – die schlechten Ausländer sind dann die Kriminellen, die keine Arbeit haben und in prekären Verhältnissen leben. Und warum tun sie das? Weil „die Politik“ Asylbewerber nicht arbeiten lässt und sie „unterbringt“. Das tut „die Politik“, um gerade der Pegida-Klientel zu signalisieren: „Wir tun was gegen Asylmissbrauch.“ Dieses Signal geht jetzt nach hinten los. Hätte man sich rechtzeitig Asylbewerbern und anderen Migranten ordentliche Chancen zur Integration eingeräumt, könnten die auch für sich selbst sorgen, wären womöglich „gute“ Ausländer geworden. Eine kollektive Psychose bahnt sich an. Wirr ist das Volk.

TOBIAS RICHTSTEIG, Berlin

■ betr.: „Das, was sie wirklich meinen“, taz vom 20. 12. 14

Wie immer bin ich begeistert von den scharfsinnigen Kommentaren von Bettina Gaus, wie jetzt zu Pegida. Es ist schlicht der gleiche Nährboden, der in den 30er Jahren verschreckte und desorientierte Kleinbürger zu den Nazis getrieben hat. Wie wäre es denn, wenn offensiv eine Umwidmung des „Soli“ in einen Fonds zur Unterstützung von Flüchtlingen und Migranten im In- und Ausland auf die Tagesordnung gesetzt würde. Das würde auch implizieren, dass die Kommunen am stärksten unterstützt werden, die sich am intensivsten um Flüchtlinge kümmern. Und die Gelder des Soli würden endlich einen sinnvollen Zweck erfüllen. PETER PLOENES, Hamburg

■ betr.: „Das, was sie wirklich meinen“, taz vom 20. 12. 14

Die Kommentatorin schreibt, es sei doch ganz einfach zu verstehen, was an dieser „Bewegung“ wirklich schlimm ist: Sie sei ausländerfeindlich und rassistisch. Das Problem, das man/frau mit solch einer vordergründig überzeugenden Argumentation hat, ist, dass sie mehrheitlich nicht verstanden wird. Genauso gut könnte man den Anhängern des Oktoberfests vorwerfen, das Problem der Wiesn sei, dass dort so viel Bier getrunken wird.

Kurz gesagt: In einem Land, das vorwiegend rassistisch und fremdenfeindlich ist, wird eine entsprechende Haltung nicht als Problem empfunden. Natürlich behauptet hier niemand, er sei ausländerfeindlich oder gar rassistisch, aber man spricht so, und man verhält sich so. In der Universitätsstadt Aachen gibt es zurzeit fast 50.000 Studierende. Sie kommen aus der ganzen Welt. Das Vermieten der knappen Buden bedeutet ein nicht unerhebliches Geschäft, das sich nur wenige Hausbesitzer entgehen lassen. Das heißt aber noch lange nicht, dass ein Studi aus Dingsda sich an die eigene Tochter „ranmachen“ darf. Und was sagt man am Stammtisch? „Die kommen ja alle nur hierher, weil es bei uns was zu holen gibt.“ Die terribles simplificateurs haben mit ihrer Demagogie keine Probleme, weil sie auf fruchtbaren Boden stoßen. HEINZ MUNDSCHAU, Aachen

■ betr.: „Das, was sie wirklich meinen“, taz vom 20. 12. 14

Bitte, erklärt mir: Was ist patriotisch, was um Himmels willen ist christlich an eurem Protest gegen die vermeintliche Islamisierung des Abendlands? Ich sehe da nicht den Hauch von Christentum! Wir Christen verdanken unseren Glauben nicht dem Abendland, sondern dem Orient. Dort gab es die ersten Christen, und das waren Juden, Griechen und Afrikaner. Was all eure Sorgen und Ängste bezüglich der Flüchtlinge betrifft: Schaut doch mal in die Bibel, was dort darüber zu lesen ist: Im Alten Testament lesen wir: „Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist, denn ihr selbst seid Sklaven in Ägypten gewesen!“ (Exodus 23,9) Und im fünften Buch Mose heißt es: „Du sollst das Recht der Fremden, die Waisen sind, nicht beugen!“ (Deuteronomium 17a) Viel ließe sich von dem Kontext dieser Bibelverse berichten, etwa, dass sie Teil einer komplexen Sozialgesetzgebung waren, deren weises Ziel es war, die Entstehung von Armut und von Reichtum (der auf Ausbeutung beruht) zu verhindern! Liebe Pegida-Demonstranten, wenn ihr schon gegen Flüchtlinge auf die Straße geht, habt wenigstens den Mumm und tut es in eigenem Namen, im Namen eures Egoismus.

GUDULA FRIELING, Dortmund

■ betr.: „Müssen wir reden?“, taz vom 16. 12. 14

Weihnachtsbotschaft an Pegida und Konsorten: Eines Tages seid ihr vielleicht froh über die Flüchtlinge von heute, wenn ihr alt und krank seid und sie euch trotzdem verpflegen, obwohl ihr heute so gehässig wart.

MICHAELA DIEROLF, Wimsheim

■ betr.: „Abendland ist Kampfbegriff“, taz vom 22. 12. 14

Wirklich clever von euch, gleich nach dem Pegida-Artikel aus der Türkei zu berichten, wie Islamisierung wirklich aussieht. Ein Pegida-Sympathisant wird allerdings genau daraus schließen, dass wir schon halb auf diesem Weg sind. Wirklich putzig ist das Interview mit Bischof Bedford. Vom üblich salbadernden Ton abgesehen, zeigt es deutlich, warum keiner mehr die christlichen Repräsentanten ernst nimmt. Eine Rechristianisierung Deutschlands droht damit schon mal nicht. Dass Menschen gegen die Islamisierung demonstrieren, also gegen die Prägung von Alltag und Politik durch „islamische“ Werte, scheint zwar (gerade in Sachsen) etwas voreilig. Diese Leute aber gleich in die Nazi-Ecke zu stellen, wie es Frau Maier in ihrem Kommentar versucht, ist wiederum unfair. Nüchtern bleiben, nach allen Seiten. MAIK HARMS, Hamburg

■ betr.: „Abendland ist Kampfbegriff“, taz vom 22. 12. 14

Als Teilnehmer der Anti-Pegida- und Anti-Bogida-Demonstration in Bonn wurde man Zeuge, wie man dieser neuen Bewegung bewies, dass sie nicht das Volk sind. Dort stand einer kleinen Pegida-Demonstration von 300 Teilnehmern eine Gegendemonstration von 3.000 gegenüber. Sie wurden auf dem Marktplatz zur Nebensache degradiert. Ebenso war es eine Freude zu sehen, wie viele junge Menschen sich dort antifaschistisch und für eine politische und religiöse Vielfalt einsetzten. Dies widerlegte das Vorurteil, „die Jugend“ sei politisch uninteressiert und unengagiert. Es ist wirklich bedauerlich, wie unzufriedene Menschen durch die Geschichte hinweg die Schuld für ihre Unzufriedenheit und ihre Probleme auf andere Gruppen projizieren und irgendwo ihre Feindbilder suchen, und es ist immer wieder erstaunlich, dass es eine erhebliche Menge an Menschen gibt, die sehr schnell die Grausamkeit ihrer Väter und Großväter vergessen.

GEORG DOVERMANN, Bonn

■ betr.: „Ich geh ooch ma zum Döner“, taz vom 17. 12. 14

Es reicht! Durch die Errichtung von Moscheen und die Beibehaltung unseres Glaubens bemühten wir uns nicht um eine Entfremdung, sondern eine Integration zwischen den unterschiedlichen Kulturen jener Gesellschaft durch Religionsfreiheit, Verständnis und Toleranz. Aber scheinbar wurde hierbei vergessen, dass wir uns bei unserer Lebensweise „lediglich“ auf die deutsche Verfassung, das Grundgesetz gestützt haben! Eine absolute Unverschämtheit daher, eine Heilige Schrift, welche eine breite Masse der Erdbevölkerung von Geburt an geprägt hat, an den Pranger zu stellen und zu verurteilen, als würden wir Muslime einen Angriff auf deutsche Kirchen verüben oder die Bibel mitsamt Jesus Christus beschmutzen.

Ja, wir fühlen uns missverstanden und offiziell nicht mehr wohl in einem derart industriell-wirtschaftlichen Staat, welcher dem Menschen keine Sicherheit mehr in seiner persönlichen Entfaltung gewährleisten kann – und dabei handelt es sich um einen der begehrtesten weltweit.

Scheinbar habt ihr vergessen, dass wir seit Generationen für euch arbeiten, dass wir nur staatliche Hilfen empfangen, weil sich unsereins abgerackert hat, unsere Hausfrauen über die Jahre der Erziehung ihrer Kinder krank und alt geworden sind und unsere Jugend benachteiligt wird, weil ein deutscher Realschüler einem türkischen Gymnasiasten in den meisten Fällen schlicht und einfach vorgezogen wird.

Mädchen islamischen Ursprungs schrubben Toiletten oder pflegen Senioren in Altersheimen, verkaufen Textilien oder Brötchen. Ist sie, wie in den seltensten Fällen, höheren Ranges, wird sie innerhalb des Betriebes schikaniert. Unsere Frauen sprechen kein Deutsch? Quelle farce!

In der Realität werden wir diskriminiert – nein, vielleicht merken es die wenigsten, und wir sprechen unseren Schmerz aus Höflichkeit kaum aus, doch uns geht es schlecht. Seit Eintritt der Regierung CDU/CSU können wir Bürger mit Migrationshintergrund die Integration öffentlich für gescheitert erklären.

Man sieht es tagtäglich auf den Straßen, denn es beginnt schon in jungen Jahren: Getrimmt von ihren Elternhäusern oder dem Bekanntenkreis werden unsere Ausländer von den deutschen Kollegen bewusst aus Gemeinschaften ausgeschlossen; ein deutscher Student gesellt sich zu einer deutschen Bande, ein türkisches oder kurdisches Mädchen trifft einen Türken oder Kurden.

Und die Asylanten, die gerade nach Deutschland geflüchtet sind? Sie leben wie Tiere – nein, in Deutschland werden sogar Hund und Katze fürsorglicher behandelt! Die kritischen Blicke der älteren Menschen – man bemerke, es handelt sich um Überlebende des Zweiten Weltkriegs – sprechen Bände: Betritt unsereins eine Bäckerei, wird er von oben bis unten gemustert, als handele es sich um einen Außerirdischen, keinen Weltenbewohner.

Der Zusammenhalt der deutschen Nation ist nach der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 aufs Erbärmlichste abgestumpft, weil die deutschen Intellektuellen ihre Nasen zu „hoch“ halten. Wir werden regelrecht „überflogen“, wahrgenommen werden wir nicht – höchstens als Verlierer der Gesellschaft. Statt einen Dialog mit uns zu wagen – denn wir haben oft genug versucht, auf euch zuzugehen –, wurden wir isoliert, während die deutschen Medien die Bundesrepublik als migrationsfreundliches Land des Fortschritts propagieren.

Und jetzt? Bei all den Begebenheiten wundern sich die deutschen Auflehner, dass sich ein Teil unserer Gemeinschaft radikalen Gemeinschaften anschließt. Ganz ehrlich, mich wundert nichts mehr. Denn eine sinnvolle und gewinnbringende Assimilation bedeutet die Anpassung nicht eines, sondern beider Protagonisten aneinander.

PS: Gewalt kommt in allen Religionen vor. Diese umzusetzen, obliegt keiner Pflicht, auch nicht vonseiten Gottes. Ich sehe keinen Türken oder Araber hierorts mit einer Rakete rumrennen. Nein, nicht weil wir moderne oder liberale Deutsche sind, sondern weil wir von Natur aus friedliebende Muslime sind, wie von Mohammed und allen Propheten abrahamitischen Glaubens – Friede sei mit ihnen – gepredigt. Amen.

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