Grüne völlig euphorisch

GRÜNE Erstmals im Schweriner Landtag, damit im letzten Landesparlament: Die Partei überzeugte mit ihrem Führungsduo Silke Gajek und Jürgen Suhr

BERLIN taz | Während die Bundespolitiker der anderen Parteien die Wahl aus Berlin kommentierten, war Grünen-Chef Cem Özdemir extra vors Schweriner Schloss gefahren. Nicht ohne Grund. „Das ist eine wahre Sensation“, kommentierte er den Doppelsieg seiner Partei. Einerseits konnten die Grünen mit satten 8,2 Prozent erstmals in den Landtag einziehen. Zudem war Mecklenburg-Vorpommern das letzte Landesparlament, in dem noch keine grünen Abgeordneten saßen.

Dass der Einzug in dem für die Grünen traditionell schwierigen Ost-Land gelungen ist, dürfte auch an dem Grünen-Hoch im Bund liegen. Doch vor allem geht der Sieg auf das Konto der beiden Spitzenkandidaten Silke Gajek und Jürgen Suhr. „Viele Menschen glauben, dass wir die richtigen Konzepte haben“, sagte Suhr. Und kündigte an, seine Partei werde einen „frischen und belebenden Wind“ in den Landtag bringen.

Die Teamarbeit zwischen ihm und seiner Parteikollegin funktionierte in der klassischen grünen Zweieraufteilung gut. Gajek stammt aus der Tradition der DDR-Bürgerrechtler und war in der Wendezeit im Neuen Forum aktiv. Sie arbeitet als Geschäftsführerin einer Selbsthilfekontaktstelle und konzentrierte sich auf Soziales. Suhr, der aus Westdeutschland kommt, Wirtschaftswissenschaft studierte und seit 2004 Grünen-Landeschef ist, profilierte sich als Kritiker des Atommüllzwischenlagers Lubmin und warb für einen schnelleren Umstieg auf Wind- und Sonnenenergie.

Für den Fall, ins Parlament zu kommen, haben die Grünen gleich zehn Initiativen angekündigt. Sie wollen etwa die Betriebsgenehmigung des Lagers Lubmin überprüfen, neue Testflächen für Windräder ausweisen und mehr Mitbestimmung der BürgerInnen ermöglichen. Dies werden sie wohl erstmal aus der Opposition heraus fordern. Zwar hatten führende Grüne in den vergangenen Tagen sogar mit einer Regierungsbeteiligung geliebäugelt. Doch nach den Prognosen am Abend hatte Rot-Grün rechnerisch keine Mehrheit, zudem dürfte die Lust von Amtsinhaber Erwin Sellering (SPD) auf einen unbequemen Koalitionspartner begrenzt sein.

Dem kleinen Landesverband stellen sich jetzt sehr praktische Probleme. Er hat nur 500 Mitglieder, allein im Ortsverband von Köln sind es doppelt so viele. Mit dieser personellen Reserve den parlamentarischen Betrieb – mit Abgeordneten, Mitarbeitern, Sprecherposten – zu bespielen ist eine Herausforderung.

ULRICH SCHULTE