Seid umschlungen, ihr Gläubiger

BILANZ Die präventive Schulden- und Insolvenzberatung nimmt pro Monat rund 50 Leute auf. Zwei Drittel von ihnen müssen über 10.000 Euro zurückzahlen. Meist sind es Männer, die Geldprobleme haben

In keinem anderen Bundesland ist der Bedarf an Schuldenberatung so groß

Rund 1.300 Menschen nahmen bisher die – 2012 wieder eingeführte – vorbeugende Schulden- und Insolvenzberatung in Anspruch. Das geht aus einem Bericht der grünen Sozialsenatorin Anja Stahmann hervor. Jeden Monat nehmen die Beratungsstellen rund 50 Arbeitslose und Erwerbstätige in diese präventive Beratung auf.

Die hohe Zahl an AntragstellerInnen zeige, dass das Angebot „eine bedeutende Beratungslücke“ geschlossen habe, sagt Stahmann. Es zeigt aber auch, dass der Bedarf gerade im Haushaltsnotlageland Bremen besonders groß ist. Rund 14 Prozent der gesamten Bevölkerung gelten als „überschuldet“. Doch in keinem anderen Bundesland ist der Anteil der Menschen, die zu wenig Geld haben, um laufenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, größer als in Bremen. Die Beratung soll den Betroffenen helfen, so lange die SchuldnerInnen noch eigenes Einkommen haben.

Die Höhe der Schulden beläuft sich in zwei Drittel aller Fälle auf über 10.000 Euro. Zwei Drittel der Schuldner sind Männer, ein Drittel Frauen. Mehr als die Hälfte der Beratungen münden in ein Verbraucherinsolvenzverfahren. Das kann zu einer Restschuldbefreiung führen, wenn die SchuldnerInnen sechs Jahre lang alle Vereinbarungen zum Abtrag ihrer Schuld einhalten. In jedem fünften Fall kommt es zu einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern. „Wir wollen die Menschen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage stützen, bevor die Schulden sie in die Arbeitslosigkeit oder in den Hartz-IV-Bezug drängen“, sagte Stahmann.

Für das Projekt gibt Bremen derzeit 400.000 Euro im Jahr aus. Bis 2010 bezahlte die Stadt die präventive Schulden- und Insolvenzberatung aus Bundesmitteln – der Grundsicherung für Arbeitssuchende, bekannt als Hartz IV. Diese Praxis beendete das Bundessozialgericht 2010. Seit 2012 gibt es das Projekt wieder, finanziert aus dem städtischen Haushalt.

Eine kostenpflichtige Schulden- und Insolvenzberatung sei für viele nicht finanzierbar, sagt Stahmann – „sie würde den Sog der Probleme nur verschärfen“. Daher dürfe man den Betroffenen nicht auch noch die Kosten der Beratung aufbürden. Das heißt allerdings nicht, dass die Beratung deswegen für alle Betroffenen völlig kostenlos ist. Bei Erwerbstätigen mit niedrigem Einkommen fallen einmalig 130 Euro an, sobald bestimmte Einkommensgrenzen überschritten werden. Im Endeffekt wurden bei rund 15 Prozent der Beratungsfälle dieser Betrag auch fällig; für 84,6 Prozent war die Beratung kostenlos.  MNZ