LESERINNENBRIEFE
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Großer Blödsinn verzapft

■ betr.: „Ich will alles, und es soll toll sein“, taz vom 24. 12. 14

Hier die von Ihrem Interviewpartner Prof. Dr. Gabriel ersehnte Antwort eines „erbosten Christen“:

1. Das Christentum sagt nicht, dass man Homosexuelle töten soll; das Levitikus-Zitat stammt aus dem Alten Testament und gehört zum jüdischen Gesetz, das für Christen nur mehr historische Bedeutung hat. Nebenbei glaube ich auch nicht, dass das Töten von Homosexuellen ein wirkliches jüdisches Anliegen ist. Verschiedene Paulus-Zitate, die (männliche) Homosexualität verurteilen, gibt es allerdings auch im Neuen Testament, jedoch keine Tötungsaufrufe.

2. Das Christentum ist in seiner Entstehung nicht auf das Judentum „aufgesprungen“, sondern aus diesem heraus entstanden. Jesus und seine Jünger waren Juden. Paulus hat dann, mit Blick auf die Heidenmission, das jüdische Gesetz für ungültig erklärt und damit das Christentum als eigenständige Religion positioniert. Dass das Christentum einige Elemente des Judentums – Monotheismus, Schabbat (auf den Sonntag verschoben), die Zehn Gebote – beibehalten hat, erklärt sich aus dieser Herkunft.

3. Das Christentum hat sich in Deutschland tatsächlich „festgefressen“, allerdings äußert sich das eher darin, dass die Kirchen vom Staat unterstützt werden, oder dass kirchliche Feiertage meist auch gesetzliche Feiertage sind, als in dem Fakt, dass nach zehn Nichttheologen nun auch mal ein Pfarrer Bundespräsident geworden ist.

4. Zum Thema „türkisch- und deutschstämmige Deutsche“ empfehle ich Herrn Prof. Dr. Gabriel, einmal bei Ersteren nachzufragen, für wie emanzipatorisch sie es halten, im Hinblick auf ihre türkischen Wurzeln „nichts mehr dazu zu sagen“.

Bleibt die Hoffnung, dass der Herr Professor in seinen Vorlesungen und Seminaren weniger Blödsinn verzapft, als in diesem Interview. VOLKER SCHEUNERT, Hamburg

Haarsträubend und abstrus

■ betr.: „Ich will alles, und es soll toll sein“, taz vom 24. 12. 14

Wenn man taz-Leser und Christ ist, wie ich, gibt es Weihnachten in der taz ordentlich eins auf die Fresse! Das habe ich auch dieses Jahr nicht anders erwartet und mich nur gefragt, aus welcher Richtung es diesmal kommt. Es kam von Markus Gabriel, dessen schwindelerregende akademische Karriere bei ihm offenbar einige Sicherungen hat durchbrennen lassen. Und so wird von ihm gegen das Christentum in einer Art und Weise geholzt, die jede Stammtischdebatte als elaborierten philosophischen Diskurs erscheinen lässt.

„Das Christentum hat die Hoffnung gehijackt“, „das Christentum ist kein Denken der Hoffnung, sondern der Versuch, die Hoffnung zu ersticken“, „das Christentum springt auf Bewegungen auf, wie es schon im Entstehen aufs Judentum aufgesprungen ist“ usw.

Das ist alles so haarsträubend und abstrus, historisch komplett abwegig und so bar jeglicher religionsgeschichtlicher Kenntnis, dass man es gar nicht fassen kann! Der Gipfel ist dann der Satz: „Vielleicht wäre es besser, wenn wir eine Debatte darüber hätten, was das Christentum wirklich sagt: Zum Beispiel, dass man Homosexuelle töten soll, Levitikus 20:13“. Zu behaupten, dass die Bibel (insbesondere auch im Alten Testament!) in jedem einzelnen Satz das sagt, was der christliche Glaube glaubt oder zu glauben hat, nennt man für gewöhnlich Fundamentalismus, nur kommt er hier von der Seite der Christentumsgegner (oder soll ich sagen: Christentumshasser?). Gabriel sollte sich die Hand reichen mit allen religiösen Fundamentalisten dieser Welt und ehrlich bekennen, dass seine Argumentation genauso undifferenziert, unhistorisch und dumm wie die ihre ist!

Von der taz aber erwarte ich, dass sie endlich einmal darüber nachdenkt, was es für sie bedeutet, dass zu ihren Lesern nicht nur Homo-, Hetero- und Transsexuelle, Frauen und Männer, Linke, Muslime, Grüne, Veganer, Tierschützer, Prostitutionsgegner und -befürworter usw. gehören, sondern auch Christen! MATTHIAS GLIENICKE, Wiesbaden

„Ich dich ehren? Wofür?“

■ betr.: Des Erlösers Geburt

Mehr als zwanzig Jahrhunderte sind verflossen, seit die gläubige Menschheit die Geburt des Zimmermannssohnes aus Nazareth feiert, der dem Menschengeschlecht als Erlöser verkündet ward. In einer furchtbaren Zeit der Zersetzung des alten Römerreiches, da Millionen in ausweglosem Elend, in Sklaverei und Erniedrigung versanken, in dieser düsteren sozialen Nacht ging die Morgenröte der christlichen Erlösung auf, von den Elenden und Enterbten mit frommem Glauben und jauchzender Hoffnung begrüßt.

Und wie seit bald zweitausend Jahren preisen die Glocken von unzähligen Kirchtürmen in unzähligen Städten und Dörfern mit eherner Zunge die Wiederkehr jenes freudigen Tages, in hohen Palästen und niedrigen Hütten erglänzen Tannenbäume im Kerzenlicht und Flitterschmuck zur freudigen Feier der Geburt des Erlösers.

Doch wo ist die Erlösung geblieben? Darben nicht heute Millionen in täglicher Pein, wie vor Jahrtausenden? Und werden sie nicht wie damals von den Reichen mit Füßen getreten, die doch schwerer in das Himmelreich kommen sollten, denn ein Kamel das Nadelöhr passieren? Dieser Welt der offiziellen christlichen Heuchelei gegenüber stehen wir proletarische „Rotte“, wir „Vaterlandslosen“, wir Geächteten, wir „Elenden“, und mit Prometheus fragen wir:

„Ich dich ehren? Wofür? / Hast du die Schmerzen gelindert / Je des Beladenen? / Hast du die Tränen gestillet / Je des Geängsteten?“

Und so feiern wir unser Weihnachtsfest, durch einen Abgrund getrennt von der heuchlerischen bürgerlichen Christenwelt mit ihren heuchlerischen Feiern, Gebeten und Glocken. ROSA LUXEMBURG, Berlin