Sicherheitsrelevante Euro-Einführung

EUROPA Als 19. Land tritt Litauen am 1. Januar der Gemeinschaftswährung bei. Jetzt, wo nichts mehr zu ändern ist, freundet sich auch die Bevölkerung mit dem Gedanken an – aus geopolitischen Gründen

STOCKHOLM taz | Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. 12.000 Bankangestellte durchliefen Trainingsprogramme, um sich mit der neuen Währung vertraut zu machen. 900.000 Starter-Kits wurden in Umlauf gebracht. 114 Tonnen Bargeld in Scheinen, 132 Millionen Euro, wurden aus den Tresoren der Deutschen Bundesbank in Frankfurt mit drei schwer bewachten Flugzeugladungen nach Vilnius und Kaunas transportiert: eine Leihgabe, damit die Umstellung reibungslos über die Bühne gehen kann. Am 1. Januar wird Litauen das 19. Euro-Land.

Nach gut 20 Jahren wird sich Litauen in der Neujahrsnacht mit einem Feuerwerk in der Hauptstadt vom Litas verabschieden, der eigenen Währung, die es 1993 eingeführt hatte.

Die Meinungen zum Euro sind gespalten. Obwohl sich die LitauerInnen in Umfragen regelmäßig als ein besonders EU-freundliches Volk hervortun, hätte noch bis vor kurzem eine Mehrheit Nein zum Euro gesagt – wäre sie denn gefragt worden. Doch pünktlich zum Übergangsdatum vermeldet das Eurobarometer, dass nun 63 Prozent für das sind, was sowieso nicht mehr zu vermeiden ist.

Dieser Umschwung dürfte allerdings auch mit politischen Gründen und der angespannten Situation mit Russland zu tun haben. Die Regierung argumentiert, damit, dass die Euro-Einführung „in hohem Maße auch sicherheitsrelevant“ sei: Litauen werde damit endgültig ein unverbrüchlicher Bestandteil der Europäischen Gemeinschaft.

Die Euro-BefürworterInnen versprechen sich einen Wirtschaftsaufschwung, wenn mit der neuen Währung Umtauschgebühren entfallen und der Außenhandel erleichtert wird. Auch würden sich die Kredite des Landes verbilligen. Tatsächlich haben die Ratingagenturen ihre Bewertung Litauens, das mit einer Staatsschuldenquote von 39 Prozent wesentlich besser dasteht als der Schnitt der Euro-Länder (91 Prozent), längst angehoben.

Nachbar Lettland, der vor einem Jahr die Europawährung eingeführt hatte, wird von Vilnius gern als Beispiel angeführt. Doch tatsächlich war die Entwicklung dort eher enttäuschend. Lettland sei offenbar nicht attraktiver für ausländische Investoren geworden, meint der lettische Wirtschaftswissenschaftler Gatis Kokins. Wirkliche Probleme wie Auswanderung und Armut habe der Euro nicht gelöst.

Auch Daina Paula, Chefökonomin der Bank von Lettland, gesteht ein, dass sie nicht viel von der Umstellung erwartet. Sie sagt aber, dass es für Lettland ohne Euro vielleicht noch schlechter laufen würde.

Zumindest hätten sich die Befürchtungen, der Euro würde die Inflation anheizen, nicht bewahrheitet, betont Paula. Doch scheint sich da eine Beobachtung, die vor einem Jahr in Lettland gemacht wurde, auch in Litauen zu wiederholen: Die Händler wollen offenbar vermeiden, dass ihre Kunden das Gefühl haben, sie nutzten die Währungsübergang für Preissteigerungen: Sie haben ihre Waren einfach schon in den vergangenen Wochen verteuert. REINHARD WOLFF