Revolutionsarmee soll auf die Terrorliste

Die USA wollen Irans Revolutionsgarden als Terrororganisation einstufen. Die Revolutionswächter sind einer der wichtigsten Machtfaktoren im Land. Sollte Washington ernst machen, wäre das eine Provokation Teherans mit unabsehbaren Folgen

VON BAHMAN NIRUMAND

Nach Zeitungsberichten erwägt die US-Regierung die iranischen Revolutionswächter (Sepah-e Pasdaran) als terroristische Organisation einzustufen. Das wäre das erste Mal in der Geschichte, dass die Streitkräfte eines souveränen Staates in diese Kategorie eingeordnet würden. Ziel dieser Maßnahme ist offenbar, die im Atomstreit vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen gegen die Islamische Republik Iran zu verschärfen. Zudem sollen die angeblichen Aktivitäten der Revolutionswächter, denen die USA die Unterstützung der Taliban in Afghanistan und der Aufständischen im Irak vorwerfen, eingeschränkt beziehungsweise unterbunden werden.

Die Maßnahme würde weit größere Folgen haben als normale Wirtschaftssanktionen. Denn die Organisation der Revolutionswächter – unmittelbar nach der Revolution von Ajatollah Chomeini als Pendant zu der noch existierenden Schah-Armee ins Leben gerufen – ist heute das Rückrad des islamischen Gottesstaates. Damals hatte die Armee vor dem Volksaufstand kapituliert und viele Soldaten waren auf die Gegenseite übergelaufen. Doch die neue Staatsführung traute den Generälen und Offizieren nicht, die zumeist in den USA ausgebildet waren.

Die Revolutionswächter begannen als eine Art Milizenorganisation, übernahmen aber bereits während des Iran-Irak-Kriegs (1980–1988) das Kommando. Inzwischen hat sich die Organisation, deren Boden- Luft und Seestreitkräfte mit modernsten Waffen ausgerüstet sind, zu einer schlagkräftigen Armee entwickelt.

Personell ist die Organisation mit schätzungsweise 130.000 Mann nicht so stark wie die reguläre Armee, die etwa 420.000 Soldaten unter Befehl hat. Sie ist aber politisch weit wichtiger und gibt beim gemeinsamen Oberkommando den Ton an. Zudem gehen die Aktivitäten der Revolutionswächter weit über die Rolle einer Streitmacht hinaus. Die Organisation, die von der Staatsführung als „Bannerträger der Revolution“ bezeichnet wird, verfügt über eigene Geheimdienste, Gefängnisse und paramilitärische Truppen, die notfalls auch im Ausland operieren.

Weit stärker als die Polizei sorgt sie auch für die „innere Sicherheit“. Die Liquidierung zahlreicher oppositioneller Organisationen in den ersten Jahren nach der Revolution geht vor allem auf ihre Rechnung. Sie war auch das Instrument, mit dem die Islamisierung der Gesellschaft gewaltsam durchgesetzt wurde. Sie kontrollierte das öffentliche und private Leben und achtete auf die strickte Einhaltung der islamischen Gesetze.

Doch die Rolle der Revolutionswächter erschöpft sich nicht in ihrer Funktion als Ordnungshüter und militärischer Arm des Gottesstaates. Die Organisation strebt nach Monopolisierung der politischen Macht. Ihre Wortführer, die der zweiten Generation nach Chomeini angehören, haben, während die erste Garde an den Schalthebeln der Macht saß und immer mehr Reichtum anhäufte, jahrzehntelang die Hauptlast getragen. Sie organisierten zu Beginn der Revolution die Demonstrationen und Kundgebungen, brachten im Krieg gegen den Irak an vorderster Front die größten Opfer und sorgten im Innern für Ordnung.

Während sie nun den grauen Eminenzen Verrat und Korruption vorwerfen, fühlen sie sich als Hüter der islamischen Revolution und beanspruchen die Macht im Staat. Mit der Wahl von Mahmud Ahmadinedschad, der ebenfalls aus diesem Kreis stammt, gelang ihnen die Eroberung der Exekutive. Tausende führende Positionen im Staatsapparat wurden mit ehemaligen Revolutionswächtern besetzt. Über die Hälfte der Kabinettsmitglieder sind frühere Kampfgefährten Ahmadinedschads.

Auch in der iranischen Wirtschaft hat die Organisation ihre Position ausgebaut. Durch den bevorzugten Erhalt von Konzessionen für Staatsprojekte in Milliardenhöhe ist sie zu einem der größten Unternehmen des Landes geworden. Ob in der Öl- oder chemischen Industrie, beim Bau von Staudämmen und Straßen, Häfen und Flughäfen und in der Außenwirtschaft – überall ist Sepah mit von der Partie. Sollten die Revolutionswächter wirklich als terroristische Organisation eingestuft werden, wäre das eine Provokation, die Iran keinesfalls unbeantwortet lassen könnte.

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