Schädliche Entschädigung

URTEIL Die Verpflichtung eines Fußballers aus Argentinien hat den SV Wilhelmshaven finanziell und sportlich aus der Bahn geworfen. Der Klub zog vor Gericht. Das Oberlandesgericht Bremen urteilt heute

Die Kampfmoral des David ist intakt, da sollten sich die großen Verbände Fifa und DFB keinen Illusionen hingeben. Seit mehr als sechs Jahren streitet der kleine Fußballklub SV Wilhelmshaven dafür, dass ihm das Recht im Fall Sergio Sagarzazu zugesprochen wird. „Die Fifa zieht ihren Striemel durch, wir halten dagegen“, sagt Rainer Wessel, Marketingmanager beim SVW. Wessel ist guter Dinge, dass das Oberlandesgericht Bremen dem SV Wilhelmshaven am heutigen Dienstag Recht sprechen wird.

Beim SVW gescheitert

Die Geschichte beginnt damit, dass der damals viertklassige Regionalligist dem 19 Jahre alten Italo-Argentinier Sergio Sagarzazu im Januar 2007 einen Profivertrag gab. Sagarzazu hatte als Kind in Buenos Aires bei namhaften Klubs gespielt, etwa bei Atletico River Plate, dem größten und erfolgreichsten Verein Argentiniens, sowie bei Atletico Excursionistas. In Wilhelmshaven scheiterte Sagarzazu, im Sommer 2008 verließ er den SVW – nach 630 Einsatzminuten.

Bald darauf forderten die argentinischen Klubs von Wilhelmshaven als Ausbildungsentschädigung für Sagarzazu 157.500 Euro. Laut Reglement des Weltfußballverbandes Fifa handelt es sich bei der Ausbildungsentschädigung um eine festgeschriebene Ablösesumme für einen Spieler unter 23 Jahren, der seinen ersten Profivertrag nicht bei jenem Klub unterzeichnet, der ihn ausgebildet hat. Eingeführt wurde die Regel, damit kleineren Vereinen von größeren Klubs nicht die Spieler ohne einen Gegenwert abgeworben werden können. Im Fall Sagarzazu wird das Prinzip umkehrt. Hier fordern die großen Klubs, der kleine soll zahlen.

Zuletzt Zwangsabstieg

Auch die Fifa forderte, und zwar die Zahlung. Wilhelmshaven weigerte sich, es gab darauf hin mehrfach Punktabzüge für den SVW, und letztlich setzte der Weltverband über den Deutschen Fußball-Bund (DFB) den Zwangsabstieg des SVW in die sechstklassige Landesliga durch. Dagegen wehrte sich der Klub.

Rechtsanwalt Jürgen Scholz aus Hannover ist optimistisch, dass heute bei der Urteilsverkündung des OLG Bremen ein Sieg errungen wird. „Die Argumentation des Gerichts an den Verhandlungstagen spricht dafür.“ Unabhängig vom Ausgang des Verfahrens deutet alles darauf hin, dass die unterlegene Partei in Revision gehen wird. Die nächsthöhere Instanz ist der Bundesgerichtshof.

SVW-Anwalt Scholz wirft dem DFB „Fifa-Hörigkeit“ vor und kritisiert, dass der Verband nicht in der Lage sei, eine vermittelnde Rolle einzunehmen. Ferner geht Scholz davon aus, dass der Rechtsstreit „für die Fifa unangenehme Konsequenzen“ haben werde. „Die Aufwandsentschädigung wird ausgesetzt werden.“

Das würde eine ähnliche Wirkung entfalten wie im Bosman-Urteil, glaubt Wessel. Der belgische Profi Jean-Marc Bosman hatte 1995 die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Profifußballer, das ablösefreie Wechseln des Vereins nach Vertragsende, erstritten. Wessel: „Uns geht es um unser Recht. Wir wollen zurück in die Regionalliga.“  CHRISTIAN GÖRTZEN