Erst die Hetze, dann das Feuer

BRANDSTIFTUNG Die Besitzer der angezündeten Autos engagieren sich gegen rechts – für einen von ihnen ist es bereits der zweite Anschlag in diesem Jahr

Es knallt ordentlich, als der Reifen platzt – Stefan Müller (Name geändert) wacht auf in der Nacht von Freitag zu Samstag und ahnt Böses. Als er vor die Haustür läuft, bestätigt sich die Ahnung: Sein Auto steht in Flammen. Gemeinsam mit einem ebenfalls herbeigeeilten Nachbarn gelingt es Müller, die Flammen zu löschen, bevor sie auf den Innenraum des Wagens übergreifen können. „Das Auto stand direkt vor dem Haus, daneben lag Baumaterial – die Flammen hätten ohne Weiteres auf unser Haus übergreifen können“, sagt Müller, der mit seiner Familie in Adlershof wohnt.

Müller ist freier Fotograf, arbeitet für verschiedene Me- dien und ist oft auf Demonstrationen unterwegs. Fotos von ihm, sein Name und seine Adresse finden sich immer wieder auf Nazi-Hetzportalen im Internet: Auf der mittlerweile gelöschten Seite des Netzwerks „Nationaler Widerstand Berlin“ und auch auf einem erst kürzlich verbreiteten Plakat mit der Überschrift „Achtung Antifa Fotografen“. Gegen das Plakat ge- hen mehrere Betroffene mittlerweile anwaltlich vor, sagt Björn Kietzmann, ebenfalls freier Fotograf. „Es sind Abmahnungen rausgegangen an alle, die dieses Bild auf Facebook geteilt haben“, so Kietzmann. Darunter seien mehrere NPD-Politiker und ein Politiker der AfD gewesen.

Es ist bereits der zweite Brandanschlag, den Müller in diesem Jahr erleben muss. Schon im April hatten Unbekannte sein Auto angezündet, in der gleichen Nacht brannten auch Autos Neuköllner Bürger, die sich gegen rechts engagieren. Auch in dieser Nacht brennt kurze Zeit später ein weiteres Auto, diesmal in Rudow. Es gehört dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Scharmberg, aktiv in der Initiative „Hufeisern gegen Rechts“, die 2011 von AnwohnerInnen der Hufeisen-Siedlung in Britz nach einer Reihe von Neonazi-Anschlägen gegründet wurde.

„Für mich ist das ein Mordversuch“, sagt Müller, „es wurde in Kauf genommen, dass das Feuer auf das Haus übergreift, in dem wir geschlafen haben.“ Geärgert habe ihn in der Tatnacht auch die Reaktion der eintreffenden Polizei: Seine Vermutung, dass es sich um einen politisch motivierten Anschlag handle, habe der Beamte mit der Bemerkung „Sagen Sie doch so etwas nicht“ abgewiegelt.

Mittlerweile ermittelt der Staatsschutz. Man gehe davon aus, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handle, so eine Polizeisprecherin. Die Ermittlungen zum ersten Brandanschlag im April wurden bereits im Juni eingestellt. Für Müller völlig unverständlich: „Ich hoffe, dass die Sache jetzt endlich so ernst genommen wird, wie sie ist“, sagt der Fotograf.

MALENE GÜRGEN