Senat will Staatsvertrag für Muslime

RELIGION Das Land prüft derzeit die Möglichkeiten für einen Vertrag mit den islamischen Verbänden. Eine echte Gleichstellung mit den Kirchen oder den jüdischen Gemeinschaften wäre dies jedoch nicht

„Wir wollen klarmachen, dass der Islam zu Deutschland gehört“

SPD-FRAKTIONSCHEF RAED SALEH

VON ANTJE LANG-LENDORFF

Der Senat strebt einen Staatsvertrag mit muslimischen Organisationen an. Das sagte der Sprecher der Kulturverwaltung, Günter Kolodziej, gegenüber der taz. „Wir prüfen derzeit die Möglichkeiten seiner Realisierung“, so Kolodziej. Die große Herausforderung liege dabei in der Vielfalt der zirka 80 in Berlin existierenden Moscheegemeinden, von denen nur ein Teil verbandlich organisiert ist. Einen übergreifenden Zusammenschluss gebe es in Berlin bisher nicht. „Für einen Staatsvertrag wäre die Konstituierung eines Verhandlungspartners, der einen großen Teil der muslimischen Gläubigen repräsentiert, aber von zentraler Bedeutung.“

SPD-Fraktionschef Raed Saleh hatte Mitte Dezember einen Staatsvertrag mit islamischen Verbänden angeregt. Er wolle seinen Vorschlag auf der Klausur der SPD-Fraktion Ende Januar ergebnisoffen diskutieren, kündigte Saleh an. Er selbst befürwortet einen solchen Vertrag. „Wir wollen klarmachen, dass der Islam zu Deutschland dazugehört“, so seine Begründung.

Vorbilder sind Hamburg und Bremen: Beide Städte haben 2013 einen Staatsvertrag mit muslimischen Organisationen geschlossen. Die wichtigsten Punkte berühren etwa die Anerkennung von Feiertagen, das Bestattungswesen und den Religionsunterricht.

Eine echte Gleichstellung mit den Kirchen oder den jüdischen Gemeinschaften bedeutet das nicht. Dafür fehlt den muslimischen Verbänden nach wie vor der Status als „Körperschaft des öffentlichen Rechts“. Das hat vor allem finanzielle Auswirkungen: Ohne diesen Status dürfen die Organisationen keine Steuer erheben.

Kolodziej wies darauf hin, dass Regelungen für Muslime, wie sie in Hamburg und Bremen im Staatsvertrag stehen, in Berlin seit vielen Jahren existieren. So sind beispielsweise Bestattungen nach muslimischem Brauch auf bestimmten Friedhöfen wie auf dem Friedhof Columbiadamm erlaubt. Auf Antrag können sich muslimische SchülerInnen an wichtigen Feiertagen freinehmen. Seit Jahren findet an den Grundschulen islamischer Religionsunterricht statt.

Diese Regelungen seien im Integrations- und Partizipationsgesetz aus dem Jahr 2010 zusammengefasst worden, sagte Kolodziej. „Gleichwohl wissen wir um die hohe symbolische Bedeutung eines Staatsvertrags und unterstützen den Vorschlag Salehs.“

In Berlin leben rund 250.000 Muslime, das sind sieben Prozent der gesamten Bevölkerung. Knapp 100.000 von ihnen haben einen deutschen Pass. Zum Vergleich: Die evangelische Kirche zählt in Berlin 633.000 Mitglieder, der katholischen Kirche gehören 330.000 Menschen an. Die Jüdische Gemeinde – wie die Kirchen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts – hat etwas über 10.000 Mitglieder.

„Diese Debatte ist ein richtiger Schritt zur Anerkennung des Islams als Teil unserer Gesellschaft“, freute sich Hakan Tas, Abgeordneter der Linkspartei. Er warnte jedoch: Es dürfe keinen Staatsvertrag „zweiter Klasse“ geben. „Der Staatsvertrag muss alle Elemente der Staatsverträge mit anderen Religionen umfassen.“

Der Senat hofft nun offenbar auf Bewegung bei den muslimischen Organisationen. Kolodziej sagte: „Wir würden uns freuen, wenn der Vorschlag des SPD-Fraktionsvorsitzenden auch die innermuslimische Diskussion um einen übergreifenden Zusammenschluss befördern könnte.“