Alle gegen Bremen

Die Debatte um Bremens Verfassungsklage und die Föderalismusreform II zeigt: Die Finanzexperten sind ratlos. Die Härte in den Schriftsätzen überrasche selbst Kenner, sagt der Ökonom Hickel

Von Klaus Wolschner

„Frank und frei“ bietet das Anzeigenblatt Weser Report jeden Sonntag eine Kolumne, meist mit Weisheiten zur Finanzlage Bremens. „Prof. Dr. Frank Haller, Bremer Regionalökonom“ steht darunter. Ganz bescheiden. Dabei war Haller lange Wirtschaftsstaatsrat in Bremen und geistiger Vater des ersten Sanierungsprogramms von 1994. Was sagt Haller zur aktuellen Lage, nachdem die Bundesregierung Bremens Ansprüche auf eine dritte Sanierungs-Phase strikt abgelehnt hat und die Sanierungsstrategie, für die Haller Verantwortung trägt, als „gescheitert“ bezeichnet?

„Bremen ist mal wieder unter Druck“, stellt Haller fest. Die Journalisten würden Schwarzmalerei betreiben, er aber plädiere für eine „kontrollierte Offensive“. Wie das? „Wir müssen offensiv über unsere Lage informieren, um mehr Bundesgenossen in Politik, Wissenschaft und Wirtschaft zu gewinnen.“ Als hätte Bremen dies über die Jahre nicht wieder und wieder versucht.

Der Ökonomie-Hochschullehrer Rudolf Hickel kommt in einem aktuellen Thesenpapier zu einem ähnlichen Punkt: Es müssten nun „ernsthafte Argumente für die Selbständigkeit des Landes Bremen innerhalb des Bundesstaats offensiv eingebracht werden“, formuliert er. Die Aufgabe bestehe darin, „einem mittelständischen Unternehmen ebenso wie einem Arbeitnehmer in Stuttgart zu erklären, warum die dem Stuttgarter Landeshaushalt entzogenen Finanzmittel zur Finanzierung der Stadtstaaten durchaus sinnvoll sind“.

Dabei hatte Hickel vor zehn Jahren einmal eingeräumt, es falle schwer, einem Arbeiter in Sindelfingen zu erklären, warum er mehr Steuern für Bremen zahlen müsse. Die Aufgabe ist also keineswegs neu, und es gibt keinen Grund für die Annahme, dass heute gelingen könnte, was über Jahre vergeblich versucht wurde.

In den Hickel-Thesen wird nämlich gleichzeitig erklärt, dass die Kritiker Bremens heute durchaus schwerer zu überzeugen sind. „Die unerbittliche Härte in den Schriftsätzen und Gutachten überrascht selbst die Kenner des jahrelangen Streits um die Sicherung der Stadtstaaten“, schreibt Hickel. Gegenüber Bremen sei „der Frust besonders groß, weil nach zwei Phasen der Sanierung mit Finanzhilfen von insgesamt 8,5 Milliarden Euro der Schuldenstand gegenüber 1994 auf 13 Milliarden Euro gestiegen ist“. Auch beim Bundesverfassungsgericht sieht Hickel ein Umdenken: „Zugespitzt formuliert, wenn heute die Entscheidung von 1992 nochmals neu anstünde, würde diese völlig anders ausfallen.“

Der Staatsrechts-Professor Joachim Wieland, der früher das Land Bremen – erfolgreich – vor dem Bundesverfassungsgericht vertrat, hat sich in einem Interview ähnlich skeptisch geäußert. Wirklich helfen würde nicht eine vorübergehende dritte Sanierungshilfe, um die Bremen vor dem Verfassungsgericht streitet, sondern eine grundlegende Neuverteilung der Steuermittel zwischen Bund und Ländern. Die ist aber bis 2010 mit Zustimmung Bremens im Finanzausgleichsgesetz geregelt. Wieso sollten Bund und Länder dieses schwierige Thema jetzt vorzeitig und ohne Not neu verhandeln? Wieland meint dazu: „Die Länder werden nichts abgeben.“ Fazit: „Eine Änderung der Grundverteilung sehe ich nicht.“