Trojaner gegen das Kanzleramt

SPIONAGE Ausspähsoftware „Regin“ bei Merkel-Mitarbeiterin entdeckt. Bundesregierung will Vorfall weder bestätigen noch dementieren

BERLIN taz | Die Bundesregierung hat Medienberichte über einen Angriff mit dem Geheimdiensttrojaner „Regin“ auf das Kanzleramt weder bestätigt noch dementiert. Die Regierung sei sich „der Bedrohungslage bewusst“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz am Montag.

Die Bild-Zeitung hatte berichtet, dass eine hochrangige Mitarbeiterin von Kanzlerin Angela Merkel ein Redemanuskript entgegen den Vorschriften auf einem privaten USB-Stick mit nach Hause genommen habe. Als sie im Kanzleramt den Stick wieder in ihren Dienstlaptop gesteckt hätte, habe der Viren-Scanner Alarm geschlagen. Auch ob der Mitarbeiterin, einer Referatsleiterin in der Abteilung „Europapolitik“, jetzt dienstrechtliche Konsequenzen drohen, wollte Wirtz nicht sagen. „Es findet eine Sensibilisierung der Mitarbeiter statt“, so Wirtz.

Der Angriff soll allerdings schon vor Monaten erfolgt sein. Ob tatsächlich Dokumente abgefischt wurden, ist unklar.

„Regin“ wird mit dem US-Abhördienst National Security Agency (NSA) und seinem britischen Partner GCHQ in Verbindung gebracht. In den Sicherheitsbehörden wird aber nicht ausgeschlossen, dass auch andere Geheimdienste mit weiterentwickelten Versionen arbeiten. Das Trojanerprogramm kann Sicherheitsexperten zufolge Aufnahmen vom Bildschirm machen, Passwörter stehlen, Datenverkehr überwachen und gelöschte Dateien wiederherstellen. Auch das Fernsteuern der Maus soll dadurch möglich sein.

Die Existenz von Regin, mit dem gezielt hochrangige Regierungsträger ausspioniert werden sollen, war erst Ende November von dem IT-Sicherheitsunternehmen Symantec öffentlich gemacht worden. Bisher waren Angriffe auf Ziele in Russland, dem Nahen Osten, Belgien und Österreich bekannt.

Wirtz sagte gestern, das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) zur Überwachung der Geheimdienste werde unterrichtet. Schärfer reagierte die Linksfraktion. Der erneute Spionageangriff zeige, „dass sich seit Snowden nichts an der Praxis der Dienste geändert“ habe, sagte der stellvertretende Fraktionschef Jan Korte. „Es ist nun dringend geboten, die Umstände zu ermitteln und herauszufinden, wer hinter dem Spionageangriff steht.“ Der Verfassungsschutz solle den Innenausschuss unterrichten. Die Bundesregierung hängt den Fall bisher eher tief: „Wir sehen momentan keinen Anlass, mit anderen Geheimdiensten zu sprechen“, so Wirtz.

2013 hatten Berichte über die Ausspähung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA in Deutschland für Empörung gesorgt. Besonders das Ausspähen eines Handys der Bundeskanzlerin sorgte für Verstimmungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis. US-Präsident Barack Obama hatte daraufhin angeordnet, dass das Kanzlerhandy nicht mehr abgehört werden darf. Ein No-Spy-Abkommen mit Deutschland will die US-Regierung aber nicht unterzeichnen. MARE, DPA