Die Mitsorgergemeinde

Angesichts des massiven Nachwuchsmangels legt das Bistum Osnabrück Gemeinden zusammen. Ein Priester ist für bis zu 8.000 Gläubige zuständig

Im Jahr 2006 waren in Deutschland insgesamt rund 15.900 Priester tätig. 1997 hatte es noch beinahe 2.000 Priester mehr gegeben. Damals gab es außerdem mehr als 13.300 Pfarreien und sonstige Seelsorgestellen, 2005 waren es nur noch knapp 12.800. Die Zahl der deutschen Katholiken sank im gleichen Zeitraum von 27,4 Millionen auf 25,9 Millionen. Die katholische Deutsche Bischofskonferenz will die Präsenz der Kirche dort wahren, wo die Menschen leben. Mittlerweile kann die aber nicht mehr in jedem Fall durch einen geweihten Priester in einer kleinen Gemeinde gewährleistet werden. Größere Seelsorgeeinheiten, so argumentiert die Bischofskonferenz, ermöglichten aber auch größere Vielfalt und deutlichere Profilierung. Gleichzeitig setzt die Kirche verstärkt auf Ehrenamtliche, die beispielsweise bei der katholischen Hilfsorganisation Caritas oder in der Erwachsenenbildung mitarbeiten. KC

von STEFANIE HELBING

„Weniger Priester, weniger Besucher, weniger Geld“, mit dieser kurzen Formel bringt der Sprecher des Bistums Osnabrück, Herrmann Haarmann, das Problem auf den Punkt. Darauf reagiert das Bistum nun mit Gemeindefusionen. Das bedeutet, dass künftig drei Gemeinden von einem Pfarrer betreut werden, dabei jedoch ihre eigenen Verwaltungen behalten. In städtischen Gebieten soll dagegen auch die Verwaltung geteilt werden. In beiden Fällen soll ein Pfarrer für bis zu 8.000 Gemeindemitglieder betreuen.

„Gerade die älteren Menschen beschweren sich“ gibt Haarmann zu: „Sie haben diese Gemeinde mit aufgebaut, sich ihr Leben lang engagiert und nun müssen sie sehen, wie sie noch nicht einmal einen eigenen Pfarrer haben“. Man versuche aber, die Umstellung im Dialog mit ihnen zu organisieren.

Dennoch sind Einschnitte gerade auch im seelsorgerlichen Bereich nicht zu vermeiden. Priesterliche Besuche am Krankenbett zum Beispiel werden seltener werden. „Wir verändern uns von der Versorger- zur Mitsorgergemeinde“, so beschreibt es Haarmann. Die Mitglieder müssten nun selbst Gruppen bilden, um Kranke zu besuchen. „Sich einbringen“ nennt Haarmann das.

Ulrich Beckwermert, der Pfarrer der Innenstadtgemeinde St. Petrus, versucht dennoch, so viel Zeit wie möglich in die Seelsorge zu investieren. „Wir müssen versuchen, als Pfarrer in den Kernbereichen aktiv zu bleiben“. Er könne zwar nicht mehr bei jedem Kranken vorbeischauen, wichtig sei es, trotzdem präsent zu sein. Gerade die Älteren wünschten sich einen Pfarrer zum Anfassen. „Dieser Spagat erfordert natürlich Arbeit“, sagt Beckwermert. Aber er sei gerne Priester – „und damit hauptamtlich Seelsorger“.

Pfarrer Christoph Baumgart, hat einen anderen Weg gefunden: „Mit einem Beamer habe ich meiner Gemeinde das Gebiet auf der Karte gezeigt, habe aufgezählt, wie viele Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser wir haben, wie viele Kommunionen ich vorbereiten muss. Und dann habe ich die Leute gebeten, nachzudenken. Da hätten auch 80-Jährige gesagt: „Ach Herr Baumgart, das schaffen Sie ja gar nicht“. Er will positiv mit der Situation umgehen, sie als Herausforderung sehen.

Auch Haarmann sieht in den ungewollten Fusionen Chancen: „Wir können jetzt unsere Kapazitäten zusammenlegen, und die Stärken der anderen Gemeinden nutzen“, findet er. Doch das täuscht nicht darüber hinweg, dass viel zu wenige junge Menschen den Beruf des Priesters ergreifen wollten. „In den 60 ern hatten wir um die 40 Weihungen im Jahr, heute sind es nur noch zwei oder drei.“ Natürlich, die Traditionen hätten sich geändert. „Doch man kann auch nicht sagen, dass die Kirche heute out ist“, sagt Haarmann. Der Weltjugendtag oder der Tod des Papstes seien kirchliche Ereignisse, für die sich viele interessierten.

Für Pfarrer Baumgart darf sich Kirche nicht in Großereignissen erschöpfen. Er erinnert sich noch, wodurch sein Interesse an der Kirche geweckt wurde: „Wir haben früher über AKWs diskutiert, als über Abtreibung gestritten wurde, haben wir einen Arzt eingeladen. Das war nah am Leben“, erzählt er.

Dieser Inhalt sei das Wichtigste, bei der Jugendarbeit wie bei der Predigt: „Bei allen Veränderungen, die jetzt passieren: Wenn die Leute aus meinem Gottesdienst gehen und einen guten Gedanken mitgenommen haben sind sie vielleicht trotzdem zufrieden.“