Ex-General bestätigt deutsche Hilfe bei Tötungen von Taliban

AFGHANISTAN-KRIEG Bundeswehr und BND sammelten Daten für Liste auszuschaltender „Personenziele“

BERLIN taz/dpa/afp | Der deutsche frühere Nato-General Egon Ramms hat Medienberichte bestätigt, dass Deutschland Zieldaten für die Tötung von Taliban-Kämpfern geliefert hat. Deutschland habe an der Zielerfassung mitgearbeitet, nachdem die Bundesregierung im Februar 2010 die Situation als Krieg eingestuft habe, sagte der General a. D. am Dienstag der DPA.

Ramm war bis September 2010 Befehlshaber der Nato-Kommandozentrale im niederländischen Brunssum. Die hat den jetzt zum 31. 12. beendeten Einsatz der International Security Assistance Mission (Isaf) am Hindukusch geleitet. Es habe Tötungslisten gegeben, die nicht nur von den USA und Großbritannien erarbeitet worden seien, so Ramms. „Sie können sie auch als Nato-Listen bezeichnen, weil sie auf den verschiedenen Ebenen der Regionalkommandos in Afghanistan und auch im Isaf-Hauptquartier entsprechend erarbeitet worden sind.“ Die Bundeswehr leitet das Regionalkommando Nord in Masar-i-Scharif.

Der Spiegel hatte jüngst über „Todeslisten“ berichtet, auf denen im Jahr 2011 rund 750 Namen von Taliban der oberen bis unteren Ebene bis hin zu mutmaßlichen Drogenhändlern gestanden haben sollen. Quelle sind Enthüllungen des Exmitarbeiters des US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden. Demnach seien die Listen nicht immer sorgfältig erstellt worden, was zusammen mit fragwürdiger Umsetzung zur Tötung von Zivilisten geführt habe.

Hauptquelle der Zielerfassung seien von amerikanischen Predator-Drohnen oder britischen Eurofightern ermittelte Handydaten. Die Bild-Zeitung berichtete am Dienstag, im Bundeswehr-Hauptquartier in Masar-i-Scharif habe es eine Einheit zur Ermittlung von Zieldaten gegeben, die direkt dem Kommandanten unterstand. Bisher hatte der Bundesnachrichtendienst (BND) bestritten, dass „Personenziele“ mittels Handynummer geortet werden können. Ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums sagte am Dienstag, von deutscher Seite sei ausschließlich die Handlungsempfehlung gekommen, die Betreffenden festzusetzen.

Tötungen von Personen, die nicht unmittelbar in einen Angriff verwickelt sind, sind moralisch und rechtlich umstritten, umso mehr, je größer dabei das Risiko ziviler Opfer ist. Die Angriffe erfolgen oft mit Drohnen. Die britische Organisation Reprieve ermittelte kürzlich, dass bei der Tötung solcher Zielperson mit Drohnen im Schnitt 28 weitere Personen getötet werden. Laut eines von der Bild-Zeitung zitierten Berichts war sich der BND der Rechtsproblematik bewusst. Vertreter von Linkspartei und Grünen forderten am Dienstag von der Bundesregierung Aufklärung. Der Abgeordnete Jan van Aken (Linke) nannte Tötungen ohne Gerichtsverfahren „Mord“. SVEN HANSEN