MERKELS „QUALIFIZIERUNGSOFFENSIVE“ WIRD EIN BLOSSER APPELL BLEIBEN
: Fachkräfte dringend gesucht

Mit einiger Verspätung hat jetzt auch die Bundesregierung bemerkt, dass die sogenannte demografische Frage in Wahrheit eine Frage der Bildungspolitik ist. Mit der Einführung des Elterngelds wollte die große Koalition vor allem Akademikerfamilien dazu animieren, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Es war zwar richtig, die Vereinbarkeit von Karriere und Beruf zu verbessern. Aber es war falsch, so zu tun, als ließen sich Bildung und Qualifikation nur auf dem Wege der Vererbung weitertragen.

Denn die Kinder, die angeblich fehlen, gibt es längst. Es gibt sie in anderen Ländern. Und es gibt sie in den neuerdings so gern geschmähten bildungsfernen Schichten. Deshalb ist eine langfristig angelegte Einwanderungspolitik so wichtig, die nicht bei jedem kurzfristigen Wirtschaftsabschwung ausgebremst wird. Deshalb ist aber vor allem eine Bildungspolitik wichtig, die schon in der Kita die Chancengleichheit verbessert, die Schüler auch am Nachmittag fördert und die nicht im Alter von zehn Jahren schon über die Zuteilung von Lebenschancen abschließend entscheidet.

Zu dieser Erkenntnis kommen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Bildungsministerin Annette Schavan allerdings reichlich spät, wenn sie auf der Kabinettsklausur im brandenburgischen Schlösschen Meseberg jetzt eine „nationale Bildungsoffensive“ ausrufen wollen. Als sie im vorigen Jahr die Föderalismusreform beschlossen, haben sie auch noch die letzten Bundeskompetenzen im Bildungsbereich an die Länder abgegeben. So bleibt ihnen in Meseberg nicht viel mehr als ein folgenloser Appell an die Länder, die weiterhin machen können, was sie wollen.

Anders als bei den Schulen hat der Bund bei den Hochschulen den Fuß wenigstens noch ein kleines Stückchen in der Tür. Das ist wohl auch der Grund, warum sich die geplante Offensive auf einen erleichterten Zugang und höhere Absolventenzahlen bei Universitäten und Fachhochschulen konzentrieren soll. Wenn große Teile der Bevölkerung aber gar nicht erst in die Nähe der Hochschulreife vordringen, wird das alleine wenig nützen.

RALPH BOLLMANN