AFGHANISTAN BRAUCHT MEHR ENTWICKLUNGSHELFER. UND MEHR SOLDATEN
: Kein Grund zur Panik

Nach mehreren Entführungsfällen in wenigen Wochen ist die Lage in Afghanistan für Entwicklungshelfer deutlich ungemütlicher geworden. Dennoch gibt es keinen Grund zur Panik. Bestimmte Sicherheitsregeln, an die sich viele Organisationen ohnehin schon halten, bieten nach wie vor relativen Schutz. Dazu gehört eine enge Zusammenarbeit mit afghanischen Partnern, die die Sicherheitslage in ihren Provinzen kennen und zeitig von Reisen abraten können. Dazu gehört es auch, öffentliche Orte ohne Wächter zu meiden und keine berechenbaren Routinen aufkommen zu lassen.

Es wäre falsch, nun die Diskussion wieder aufzuwärmen, ob die Zusammenarbeit mit dem Militär für Entwicklungshelfer zu gefährlich ist. Das Militär hat zivile Fachkräfte in der Vergangenheit individuell nicht schützen können – und kann es auch heute nicht. Die Aufgabe der Isaf besteht vielmehr darin, die Lage vor Ort so zu stabilisieren, dass Entwicklungshilfe überhaupt erst möglich wird.

Das hat in vielen Provinzen gut funktioniert. Das sieht man beispielsweise in Kundus, wo ein deutsches Wiederaufbauteam (PRT) gute Arbeit gemacht hat. Wenn es in Kundus Sicherheitsprobleme gibt, dann deshalb, weil die Bundeswehr von der Politik in Deutschland nicht die Rückendeckung bekommt, um vor Ort aktiv gegen bewaffnete Gruppen vorzugehen. Das rächt sich nun.

Auch rächt es sich, dass man die Truppenstärke der Isaf in Kabul reduziert und in der Provinz Wardak in unmittelbarer Nähe der Hauptstadt jahrelang überhaupt keine militärische Präsenz gezeigt hat: Das kommt einer Einladung an Taliban und Kriminelle gleich, sich dort eine Infrastruktur aufzubauen, die die aktuellen Entführungsfälle erst ermöglicht hat.

Es führt kein Weg daran vorbei, die Zahl der Soldaten und der zivilen Helfer in Afghanistan zu erhöhen, wenn man die Lage unter Kontrolle bringen will. Erst ein deutliches Signal der Politik – der deutschen und der europäischen –, Afghanistan mit mehr Geld, mehr Personal und unerschütterlichem Engagement zur Seite zu stehen, wird die Taliban und ihre Trittbrettfahrer überzeugen, dass sie mit der jetzigen Taktik nicht durchkommen. BRITTA PETERSEN