AGRAR-INITIATIVEN (7)
: Nervensägen mit Expertise

Norddeutschland ist das Lieblingsspielfeld der Agrarindustrie. Immer mehr und immer größere Stallanlagen werden geplant –und gebaut. Aber die BürgerInnen lassen sich das nicht mehr gefallen: Die taz nord stellt Bündnisse, Initiativen und Vereine vor, die sich wehren. Heute: Wie eine Nachbarschaft im Emsland den Maststall-Bau in einer ganzen Region bremst.

Der Anfang war entmutigend. Die Protestschilder gegen die geplanten Mastställe in ihrer Nachbarschaft wurden regelmäßig geklaut. Die Kreisverwaltung Emsland nahm ihre Sorgen um Umwelt, Gesundheit und den Marktwert ihrer Häuser nicht ernst. Sie ist für die Genehmigung der sechs Geflügelställe in Surwold zuständig. Die waren der Stein des Anstoßes. Denn in ihnen sollten irgendwann 300.000 Tiere gemästet werden. „Die haben uns provoziert“, sagt Hermann-Josef Schomakers von der Bürgerinitiative Nordhümmling.

Der 59-Jährige und seine Nachbarn hatten im Mai vergangenen Jahres von den Plänen für die neuen Massenzucht-Anlagen gehört, die 600 Meter von seinem Haus entstehen sollten. „Wir waren uns schnell einig, dass wir das verhindern müssen“, sagt er. Erst ging es nur um die geplante Anlage in Surwold, später kam der Widerstand gegen die Maststall-Pläne im Nachbardorf Bockhorst dazu.

Schomakers und seine Mitstreiter wussten schon immer, dass sie im Herzen des Geflügellands Niedersachsen wohnen. Im Emsland gibt es 33 Millionen genehmigte Mastplätze, aus den Agrarfabriken kommen 250 Millionen Stück Schlachtvieh im Jahr. Doch die Merkwürdigkeiten in Genehmigungsverfahren kannten sie nicht. Aber sie wollten es jetzt wissen, begannen sich einzuarbeiten – und Schilder zu malen. Bis zu drei Mal pro Woche traf sich die Nachbarschaft, informierte sich und malte neue Protestzeichen, wenn mal wieder welche verschwunden waren. Heute sind rund 50 Menschen Unterstützer der Initiative, drei Menschen sind besonders aktiv: ein Polizist, die Betreiberin eines Hof-Cafés – und der Versicherungsvertreter Schomakers.

Der klingt so, als fände er auch Freude am Kampf mit der Verwaltung. Schomakers war früher Elternvertreter, der einen Schülerstreik plante, weil die Schule seiner Tochter zu wenige Lehrer hatte, und saß bei einem Mittelständler mit 1.000 Mitarbeitern im Betriebsrat.

Die Nordhümmlinger lasen Planungsunterlagen, fanden Kontakt zu einem Planungsbüro, das zwar auch beim Emsländer Geflügel-Monopoly mitspielt, aber eine offene Rechnung mit der Branche hat. „Ein Mitarbeiter war bereit, uns die anfechtbaren Schwachstellen der Mastställe zu nennen“, erzählt Schomakers. Sie ließen sich von einem Experten für Immissionen in der Zucht beraten und engagierten den Berliner Verwaltungsrechtler Peter Kremer.

Bei der Anhörung zum Stall in Bockhorst, so erzählt es Schomakers, kam es zum Showdown zwischen der Kreisverwaltung und dem Juristen der Bürgerinitiative. Der hatte viele kritische Anmerkungen zu dem Antrag und eine vernichtende Mängelliste. Er fand Verstöße gegen das EU-Naturschutzrecht, die Straßenverkehrsordnung, das Tierschutzgesetz und Bauplanungsrecht. „Der war echt genial“, sagt Schomakers. Nur oberflächlich habe die Verwaltung die Unterlagen geprüft. Seit der Anhörung haben die Emsländer keine weiteren Ställe erlaubt. „Die wissen genau, dass wir vors Verwaltunsgericht gehen.“

Inzwischen laufen in Nordhümmling Anfragen von anderen Bürgerinitiativen aus ganz Deutschland ein. Sie selbst hat sich mit Verbänden wie dem BUND und dem Nabu zum Aktionsbündnis „Bauernhöfe statt Agrarfabriken Nord-West“ zusammengeschlossen.

Heute schickt Schomakers dem Landrat E-Mails mit Fragen und Mängelhinweisen, die ihm bei Anträgen aufgefallen sind oder bei seinen Fahrten durch die Region. Oder auch mal eine Rechnung – für die Fortbildung der Kreismitarbeiter im Rahmen der Anhörung mit dem Anwalt der Initiative. „Man muss permanent nerven“, sagt er. Aber er macht das nicht zum Spaß: „Ich bin böse darüber“, sagt er, „dass bei der Agrar-Industrie so viel geduldet wird.“

DANIEL KUMMETZ