Millionen Euro in der Elbe versenkt

VERSCHWENDUNG Der 11,5 Millionen Euro teure Ausbau des Hafens in Wittenberge sollte dafür sorgen, dass dort viele Containerschiffe anlegen. Im Jahr 2014 kamen sechs. An 100 Tagen im Jahr ist der Wasserstand in der Fahrrinne mit 1,60 Metern zu niedrig

Der Hafen in Wittenberge war als eine Art Außenstelle zu Hamburg gedacht

WITTENBERGE taz | Er sollte das ganz große Ding werden: der Hafen in Wittenberge. Im Jahr 2009 unter anderem mit Geldern aus dem Konjunkturpaket gebaut, sollten am Elbufer der größten Stadt in der Prignitz in Brandenburg bis zu drei Containerschiffe in der Woche anlegen. Gekommen ist es anders.

Ganze sechs Schiffe zählte der Elbeport im vergangenen Jahr bis zum November. Das erklärte die Pressestelle des Unternehmens auf taz-Nachfrage. Grund sei der zu niedrige Wasserstand. An durchschnittlich 100 Tagen im Jahr liegt die Fahrrinnentiefe in Wittenberge laut Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes unter 1,60 Metern. Das ist die Minimalhöhe für die Binnenschifffahrt auf der Elbe.

Experten wissen allerdings seit Langem, dass der Abstand zwischen Gewässersohle und Wasserspiegel auf dem Fluss mindestens 2,50 Meter betragen muss, damit auf ihr Schiffe fahren können. Wann und wie lange im Jahr die Elbe so viel Wasser führt, damit sich Schifffahrt lohnt, weiß im Vorhinein kein Mensch, sagt Ernst Paul Dörfler vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). „Die Elbe hat von jeher stark schwankende Wasserstände“, meint der Umweltschützer, „mal extremes Niedrigwasser und dann wieder Hochwasser.“ Damit kann niemand planen, schon gar nicht die Wirtschaft.

Wenn die Elbe als Transportweg ausfällt, wie wichtig ist dann der Wittenberger Elbeport? „Der Hafen ist eine Investruine“, meint Dörfler: „Rausgeschmissenes Geld.“

Insgesamt wurden in das Areal des Binnenhafens 11,5 Millionen gesteckt, davon 9,5 Millionen Euro Fördermittel. Davon flossen rund 6 Millionen Euro in zwei Schiffsanleger, 5,1 Millionen davon waren öffentliche Gelder.

In eine indirekt zum Hafenausbau gehörende Brücke über die Stepenitz, einen Nebenfluss der Elbe, wurden 5,45 Millionen Euro gesteckt. 4 Millionen Euro davon waren öffentliche Fördermittel. Investitionen, die sich gelohnt haben, wie der parteilose Bürgermeister Oliver Hermann sagt: „Wittenberge hat sich damit als leistungsfähiger Logistikstandort etabliert.“

Eine Aufwertung kann die Stadt, die häufig für die Überalterung und Entvölkerung der Provinz herhalten muss, durchaus vertragen. Seit der Wende erlebt sie einen Verfall: Industrie ist weggebrochen, sanierte Häuser stehen leer. Die Straßen sind auch an normalen Wochentagen wie leer gefegt, Junge und gut Ausgebildete ziehen weg. 1990 hatte Wittenberge noch 28.000 Einwohner, 2012 waren es rund 17.500. Für 2020 prognostizieren Statistiker unter 16.000 Einwohner. Jetzt versucht die Stadt, mit einem Modellprojekt die „Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Weiterentwicklung von Ferienbetreuungsangeboten und das Entwickeln einer Willkommenskultur für Gäste und Fachkräfte“ zu fördern. „Es geht nicht nur darum, junge Menschen wieder nach Wittenberge zu holen, sondern auch diejenigen, die da sind, gut zu behandeln“, sagt Christiane Schomaker, Pressesprecherin der Stadt.

Für das Wittenberger Image spielt der Elbeport keine unwichtige Rolle. Und er spült Geld in die Kasse, wie Michael Beyer, Geschäftsführer des Unternehmens, versichert. 1,2 Millionen Euro waren das seinen Aussagen zufolge 2013, in diesem Jahr sind es 1,7 Millionen Euro. „Von Investruine kann hier keine Rede sein“, sagt der Manager und gelernte Schifffahrtskaufmann. „Der Elbeport ist noch immer positiv zu bewerten.“ Er sei ein „trimodaler Standort“: Wasser, Schiene, Straße. Derzeit würden 85 Prozent der Güter von und nach Wittenberge mit der Bahn transportiert.

Aber warum dann der millionenteure Ausbau des Hafens, wenn Schienen und Straßen stärker genutzt werden?

Bürgermeister Hermann rechnete 2009 damit, dass das Güteraufkommen etwa im Hamburger Hafen rasant steigt und Wittenberge eine Art Außenstelle Hamburgs werden könnte. Das ist falsch gedacht, findet BUND-Umweltexperte Dörfler. Er sagt: „Gütertransport auf der Elbe lohnt sich erst ab 300 Kilometer Wasserweg.“ Das wäre etwa die Strecke von Hamburg nach Magdeburg. Aber dazu kommt es erst gar nicht. Weil die Elbe die meiste Zeit des Jahres zu wenig Wasser führt. Oder zu viel.

SIMONE SCHMOLLACK