Die dunkle Seite des Mondes

RITUAL Das Strohballenhaus im Garten des Barkenhoffs soll abgerissen werden. Oliver Peuker nutzt den intimen Raum deshalb noch für eine kleine, aber feine Inszenierung

„Rilkes Requiem“ kommt mit wenigen Requisiten aus, der Raum ist in trübes Zwielicht getaucht, ein paar Kerzen, eine Rose, eine Kette und eine Leier – vielmehr braucht Oliver Peuker nicht

von Andreas Schnell

In Worpswede wird gebaut. Insgesamt rund neun Millionen Euro fließen in den Erhalt der Bausubstanz der Museen und ein museales Gesamtkonzept. Im Zuge dieser Maßnahme wird auch der Barkenhoff mitsamt Garten umgestaltet. Der Garten soll wieder in seinen alten Zustand versetzt werden.

Für die Cosmos Factory, die den Garten seit 2003 mit Produktionen über wichtige Figuren der Worpsweder Kunstgeschichte wie Tetjus Tügel, Paula Modersohn-Becker oder Heinrich Vogeler bespielte, eigentlich ein Grund, dieses Jahr auszusetzen.

Weil im Rahmen der Restaurierungsarbeiten auch das Strohballenhaus weichen soll, das dort vor sieben Jahren als Diplomarbeit entstand, beschloss Oliver Peuker von der Cosmos Factory, den Raum ein letztes Mal für eine Inszenierung zu nutzen. Den kleinen Raum mit der niedrigen Decke verwandelt er in eine „Rilke-Kapelle“, in der er „Requiem für eine Freundin“ als echtes Ein-Personen-Stück zeigt – nicht nur ist er der einzige Schauspieler, auch Bühnenbild, Technik und Regie besorgte er selbst.

Besagtes Requiem ist mit Worpswede eng verbunden: Auf Heinrich Vogelers Barkenhoff lernte Rainer Maria Rilke die junge Malerin Paula Modersohn-Becker kennen. Eine intensive Freundschaft entstand, die Bedeutung ihrer künstlerischen Arbeit erkannte Rilke allerdings erst relativ spät.

Dass der frühe Tod der Malerin den Dichter tief getroffen hat, lässt sich aus seinem „Requiem für einen Freundin“ umstandslos ersehen. Auch wenn das Gedicht erst ein Jahr nach ihrem Tod entstand. „Es muss lange in ihm gegärt haben“, sagt Peuker: „In der Zeit zwischen ihrem Tod und dem Requiem hat er sich kaum zu dem Verlust geäußert. An Allerseelen 1908 strömte es dann förmlich aus ihm heraus. Rilke schrieb das Requiem innerhalb weniger Tage.“

Peukers „theatrales Ritual“, wie er seine Inszenierung charakterisiert, kommt mit wenigen Requisiten aus, der Raum ist in trübes Zwielicht getaucht, ein paar Kerzen, eine Rose, eine Kette und eine Leier – vielmehr braucht der Schauspieler nicht, um Rilkes Totenklage in einer guten halben Stunde in eine intensive Theater-Meditation zu verwandeln, die von der Nähe zum Geschehen, von den Nuancen, die die Akustik des urigen Raums gestattet, lebt. Und natürlich von Rilkes Lyrik, die ein eigenwilliges Verhältnis zu den Toten offenbart. „Für Rilke“, so Peuker, „lebten sie, nur in einer anderen Sphäre, sozusagen auf der dunklen Seite des Mondes.“

■ bis 25 September jeden Freitag, Samstag und Sonntag, jeweils um 19, 20 und 21 Uhr, Strohballenhaus im Garten des Barkenhoffs, Worpswede