Der Guerilla-Pfad der Handelskammer

Das ist sie, die geheimnisvolle Tür. Auf der Südostseite, zur Großen Johannisstraße hin, verbindet sie im ersten Stock Handelskammer und Rathaus. Die Chefetage der Handelskammer hat einen Schlüssel und nutzt diesen fleißig. Bei Bürgerschaftssitzungen oder sonstigen wichtigen Anlässen nehmen Präses oder Hauptgeschäftsführer gerne mal diesen direkten Weg zu den Volksvertretern. Allerdings führt er über den Flur, an denen die grüne Fraktion ihre Rathausbüros hat – was die Kammerherren nicht stört. Flugs eilen sie hindurch, „und manchmal grüßt sogar einer“, wie eine Mitarbeiterin der Grünen erzählt.

Die Grünen haben selbstredend keinen Schlüssel. Es gebe in der Stadt den Eindruck, „dass das Hinterhaus des Rathauses, also die Handelskammer, die Vorgaben für Senat und Bürgerschaft im Vorderhaus macht“, sagt ihr wirtschaftspolitischer Sprecher, Kammerkritiker Anjes Tjarks: „Symbolisch dafür steht diese Tür, die man nur von einer Seite öffnen kann – nämlich von der der Kammer.“

Altgediente Grüne pflegten diesen Verbindungsweg früher spöttisch „Ho-Chi-Minh-Pfad“ zu nennen, nach dem Guerillaweg der Vietcong im Vietnamkrieg. Besonders gern erinnern sie sich an den November 1995: Da schleuste das Bundeskriminalamt den Palästinenserpräsidenten und Friedensnobelpreisträger Yassir Arafat über diesen Gang vom Rathaus in die Handelskammer. Die Grünen mussten sich in ihren Büros einschließen, auf dem Flur wachten BKA-Beamte über den zehnminütigen Hausarrest. „Da geht mal Arafat an mir vorbei“, seufzt noch heute die grüne Mitarbeiterin, „und dann darf ich nicht mal Fähnchen schwenken.“  SMV