WAHLKAMPF
: Mehr Geschenke

Bis ich in der Wahlkabine sitze, kann man mich beeinflussen

„Das ist doch Pest und Cholera“, schimpft die Frau, die mit mir an der Bushaltestelle wartet. Sie zeigt auf ein Grünen-Plakat mit Da-müssen-wir-ran-Renate, die ziemlich zertrampelt auf dem Boden liegt. Ein paar Meter weiter hängt Wowi der Versteher mit Krokodilschnauze im Gesicht.

„Also, ich gehe diesmal gar nicht wählen, oder wenn, dann ungültig“, sagt die Frau und zündet sich eine Kippe an. „Oder wat machen Sie?“, fragt sie mich. „Ja wenn ich das mal wüsste“, sage ich, und bis der Bus kommt, schimpfen wir gemeinsam ein bisschen auf alles und alle. Wir sind uns einig, dass Wowi ein weltfremder Nullchecker ist und Renate eine aufgeblasene Schmollschnute. Dass die Plakate langweilig und nichtssagend sind, außer vielleicht die von der „Partei“, aber dass lustig halt auch nicht reicht, und überhaupt.

Bei mir ist allerdings noch was zu holen, und das möchte ich wirklich ausdrücklich betonen. Ich werde wählen, und zwar nicht ungültig. Bis ich in der Wahlkabine sitze, kann man mich noch beeinflussen. Komischerweise habe ich dieses Jahr noch überhaupt keinen Parteischnickschnack geschenkt bekommen, wo bleibt das ganze Zeug? Die Grünen hatten bei der letzten Wahl giftgrüne Waldmeisterbowle ausgeschenkt, das fand ich gut. Dieses Jahr habe ich noch nicht mal ein Schlüsselband gekriegt. Okay, ich mache ein paar Vorschläge: Da wir gerade dieses alte Gutshaus in Brandenburg gekauft haben und das jetzt in eine geile Landkommune umbauen werden, bräuchte ich zum Beispiel einiges an Werkzeug. Also, ein ordentlicher Akkubohrer von der Linksfraktion, und ich bin dabei. Ein Vorschlaghammer von den Piraten, und sie haben mich. Eine hohe Leiter wäre gut, das böte sich für die FDP an, aber die müssten noch 5.000 Tacken oben drauflegen. Ach, überhaupt, Geld wäre super, bin nämlich zufällig pleite. Aber das können wir dann unter vier Augen klären. MARGARETE STOKOWSKI