Müller muss es jetzt machen

Vor zwei Jahren hatte Raed Saleh einen „Herbst der Entscheidungen“ ausgerufen. Der SPD-Fraktionschef und sein CDU-Kollege wollten damit einen Schlussstrich ziehen unter die Anlaufschwierigkeiten der Großen Koalition. Auch wenn der Herbst dann in einen Winter und einen Frühling usw. der Entscheidungen überging, und auch wenn Michael Müller den Fraktionschef beim SPD-Mitgliederentscheid über die Wowereit-Nachfolge deklassierte – von Saleh lernen kann zumindest in Sachen vollmundiger Ankündigungen durchaus siegen lernen bedeuten. Müller wäre also gut beraten, Anfang 2015 den Mund mal ordentlich weit aufzureißen. Und zumindest ein bisschen was zu liefern.

Der neue Regierende Bürgermeister steht vor seinem ersten Jahr im Amt und vor einer ganzen Reihe von – sagen wir: – Herausforderungen. Berlin braucht Wohnungen, will sich für Olympische Spiele bewerben, irgendwie einen Flughafen bauen, den Haushalt sanieren, aber auch investieren, die Stadt muss mit steigenden Flüchtlingszahlen klarkommen, und vor allem muss sie Müller auch erst noch kennenlernen. Bisher ist der neue Regierungschef für viele Berliner nicht viel mehr als ein Exsenator mit Allerweltsnamen.

Vor seiner offiziellen Wahl durch das Abgeordnetenhaus im Dezember hatte Müller, damals noch 49 Jahre alt, angekündigt, einen neuen Stil im Umgang mit den Bürgern pflegen zu wollen. Mehr zuhören wolle er, mehr mitreden lassen – das sind gerechtfertige Schlüsse aus seiner überraschend deutlichen Niederlage beim Tempelhof-Entscheid im vergangenen Mai. Und Politiker, die sich anfassen lassen, können selbst bei den notorisch nörgelnden Berlinern erfolgreich Eindruck schinden – das hat Klaus Wowereit regelmäßig bewiesen.

Aber Bürgerbeteiligung braucht Zeit, und Müller hat davon nicht viel: Ende 2015 werden die Berliner – wenn Berlin und nicht Hamburg den Zuschlag für eine Olympiabewerbung bekommt – genau darüber abstimmen; eine Niederlage wäre fatal für den neuen Regierungschef. Und Ende 2015 wird auch der Koalitionspartner CDU wieder auf Wahlkampfmodus schalten. Keine zwölf Monate bleiben Müller also zu beweisen, dass er auch Regierender Bürgermeister sein kann.

Am kommenden Donnerstag, den 8. Januar, geht der Senat in Klausur. Danach geht es um Entscheidungen – und wie Rot-Schwarz sie schnell umsetzt. BERT SCHULZ