Der Frucht besondere Süße

LIEBE Er trifft sie, in einem Supermarkt. Sie gehen die Hauptstraße entlang, und als die Sonne versinkt, wird die Luft mild. Eine Sommergeschichte im Winter

Für einen Augenblick standen sie einander zugewandt da und horchten, und das, was sie dabei hörten, war der Gleichklang, der sie beide miteinander verband

VON THOMAS FEIX

Er sagte ihr, wie schön er sie findet, wie sehr sie ihm gefällt. Er bewunderte ihre Arme und ihren Nacken, und nachdem sein Blick auf ihre unbedeckten Schultern gefallen war, schwärmte er auch von ihnen. Sie lachte bei seinem Reden und sagte, dass sie das alles an ihr noch gar nicht bemerkt hat.

Um acht Uhr am Abend war es, sie hatten zusammen an der roten Fußgängerampel gestanden, und während sie darauf warteten, dass sie grün wird, hatte er beobachtet, wie der Mann am Steuer eines Autos, das vor ihnen langsam abbog, sie sich mit weitgeöffneten Augen betrachtet hatte. Hast du das gesehen, wie der dich eben angeguckt hat, sagte er zu ihr. Nein, sagte sie, sie hat davon nichts mitbekommen.

Minuten zuvor waren sie gemeinsam vom Supermarkt aus los, um die Hauptstraße entlang bis hin zu ihrem Ende zu gehen. Dort gab es einen Platz mit Rasen, Büschen und Bänken, mit niedrigen Häusern, die ihn umstanden, mit Kopfsteinpflaster und mit nichts als Fußgängerverkehr. Dort würden sie sich auf die Terrasse des Cafés setzen und zusammen Milchkaffee trinken.

Es war der Abend eines Sommertages, nicht eine Wolke war den Tag über am Himmel gewesen und in den Straßen kein Wind, und da die Sonne versank, wurde die Luft jetzt mild.

In der Schlange an einer Kasse des Supermarktes waren sie einander begegnet. Sie war vor ihm gewesen, und als sie die Mango aufs Band gelegt hatte, hatte er nicht gezögert. Was denn das für eine Frucht wäre, fragte er sie, und sie sagte, dass das eine Mango ist. Interessant, sagte er, als wären ihm Mangos nicht bekannt. Ja, sagte sie und erklärte ihm, wie Mangos sind. Anders als Orangen, Ananas oder Bananen, anders als Pfirsiche und auch anders als Aprikosen. Etwas Besonderes.

Sie ist nicht gleich fort, nachdem sie die Mango bezahlt hatte, sie wartete auf ihn, er hatte bloß eine Packung Zigaretten. Nebeneinanderher sind sie zum Ausgang hin und haben vor dem Geschäft jeder eine Zigarette aus der Packung geraucht.

Dieser Abend, sagte sie, zu herrlich, um schon nach Hause zu gehen, und er sagte, dass ihm ebenso wie ihr zumute ist. Dann nannten sie beide es schade, würden sie nun auseinandergehen, und so sind sie gemeinsam auf seinen Vorschlag hin in Richtung des Platzes die Hauptstraße hinauf, bis dass sie an der roten Fußgängerampel stehen bleiben mussten.

Sie schaltete jetzt auf Grün, und bevor sie die Fahrbahn betraten, nahm er sie bei der Hand, um sie hinüber auf die andere Straßenseite zu geleiten. Dabei fing er mit dem Bewundern und Schwärmen an. Er hatte es nicht gewollt, nicht in dem Moment, doch da war wie ein Rivale der Mann am Steuer mit seinem verschlingenden Blick auf sie gewesen, und er konnte deshalb damit nicht länger an sich halten.

Sie hatte kurzgeschnittenes dunkles Haar, das ihren Nacken freigab, hatte ein beigefarbenes Top an und Jeans, die oben knapp an den Hüften begannen und unten in weitem Schlag endeten. Sie trug sie mit schwingendem Gang, und in ihrer Umhängetasche war die Mango. Die eine Mango, die sie sich gerade gekauft hatte, und beinahe hätte er auch sie bewundert und von ihr geschwärmt.

Nachdem sie den Gehsteig auf der anderen Seite erreicht hatten, ließ er sie wieder los. Später würde er erneut nach ihrer Hand greifen, er würde schon wieder Gelegenheit dazu finden, davon war er überzeugt. Sie kamen an einer Eisdiele vorbei, und er hielt bei ihr an und holte ein Pistazieneis für sie.

Ich nie, sagte er zu ihr, als sie von ihm wissen wollte, weshalb er sich nicht auch ein Eis mitgebracht hat, ich stelle mich zu ungeschickt beim Eisessen an. Sie waren so lange unter der Markise der Diele, bis dass sie das Eis aufgegessen hatte, und dann sind sie weiter und tauschten sich dabei untereinander wieder über die Abendstimmung aus.

Die Menschen auf der Straße sahen gelassen aus, wie sich ihrer selbst gewiss, und die Autos fuhren gemächlich an ihnen vorüber. Es war einer der Sommerabende, die etwas Unvergängliches an sich haben. Vielleicht daher das Gelassene und die Gemächlichkeit. Sie und er waren dicht beieinander, und manchmal berührte er sie wie zufällig mit der Hand an der Taille, und er hoffte dabei darauf, ihr wäre das angenehm.

Sie erzählte ihm davon, dass sie sich vor einem Monat von ihrem Mann hat scheiden lassen, drei Jahre lang eine Ehe, von der sie sich befreit hat. Viel nachzuholen habe ich jetzt, sagte sie, viel an Erlebnissen, die mit Liebe, Leidenschaft und Hingabe zusammenhängen. Ich hatte sie nach der Heirat vermisst, und er hörte es sich an und rechnete sich dabei in Vorfreude Dinge aus.

Sie war noch nie in Lissabon

Er sprach zu ihr vom Plan, den er gefasst hat, seit er sie traf, von einem neuen Leben, von Reisen, die sie gemeinsam machen würden. Lissabon, Stadt der Verliebten für mich, Lissabon als Erstes, wie wäre es für dich damit. Sie sagte nicht Ja und nicht Nein dazu, sie sagte, dass sie noch nie in Lissabon war, aber immer schon dahin wollte.

Er erzählte ihr von den Büchern, die er las, von den Filmen, die er sich ansah. Er redete ohne Pause, er wollte sie von sich beeindrucken, er wollte sie für sich begeistern, und zum Schluss sagte er, dass er von Musik nicht so die Ahnung hat, sicher könnte sie ihm da behilflich sein. Er wollte ihr damit sagen, dass er ebenfalls viel nachzuholen hat. Zwei Jahre lang bin ich nun allein, und er erwähnte auch, wie schwer ihm die Trennung von seiner Freundin gefallen ist.

Sie sagte, dass sie es sehr mag, dass er sie im Supermarkt angesprochen hat. Endlich einmal ein Mann, der sich so etwas traut, und ihre Augen hatten den einen Glanz, und ihre Wangen röteten sich, und sie blickte ihn von der Seite her an.

Ihre Freundinnen, sagte sie, klagen darüber, dass Männer viel zu oft viel zu ängstlich zum Flirten sind. Frauen aber wollen flirten, sie wollen angesprochen werden. Dass er es vorhin bei ihr getan hat, dass er den Mut dazu gehabt hat, empfindet sie als Kompliment für sich, und deshalb ist sie mit ihm mit, sie hat Spaß daran, mit ihm zusammen zu sein.

Weiß auch nicht, warum, sagte er zu ihr, aber wie du da vor mir an der Kasse warst, da wusste ich, dass es so weit ist und nicht ein anderes Mal vielleicht und bei einer anderen, und als ich die Mango auf dem Band liegen sah, da wusste ich außerdem, wie an dich heranzukommen wäre.

Für einen Augenblick standen sie einander zugewandt da und horchten, und das, was sie dabei hörten, war der Gleichklang, der sie beide miteinander verband. Vielleicht war er noch sehr leise, aber er war da, und er würde lauter werden, das spürten sie. Sie sagte, dass sie noch nie so einen Abend wie diesen hier erlebt hat. Von ihr aus könnte es bis in alle Ewigkeit so weitergehen, gemeinsam im Gleichklang immer einen Weg entlang, und er sagte, dass die Begegnung mit ihr ein Geschenk für ihn ist.

Unterdessen war es dunkel geworden, und sie waren auf dem Platz angekommen. Rund war er, einzelne Straßenlaternen beleuchteten ihn, und Leute saßen auf den Bänken oder spazierten um den Rasen in seiner Mitte herum. Lichterketten brannten in den Zweigen der Büsche und Sträucher, und sie und er entdeckten einen freien Tisch auf der Terrasse des Cafés, setzten sich hin und bestellten sich Milchkaffee.

Sie blieben nicht lange, bald standen sie auf und verließen die Terrasse. Sie hatten kaum miteinander gesprochen, und er hatte den Impuls gehabt, nach ihrer Hand zu greifen, und als sie wieder auf der Hauptstraße waren, gab er ihm nach und legte ihre Hand in seine, und mit ineinandergelegten Händen sind sie dorthin zurück, von woher sie gemeinsam gekommen waren.

Noch bis weit nach Mitternacht waren sie dort zu sehen, wie sie zusammen auf der Treppe saßen, die zum Supermarkt hinaufführt, und eine Zigarette nach der anderen aus der Packung dabei rauchten. Immer wieder diskutierten sie miteinander darüber, wer von ihnen beiden jetzt mit zu wem in die Wohnung mitgeht und ob überhaupt, und dann fütterten sie sich gegenseitig mit Scheiben von der Mango, die er mit Hilfe seines Taschenmessers aufgeschnitten und geteilt hatte.