LESERINNENBRIEFE
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„Konflikt“ auf den Punkt gebracht

■ betr.: „Auf dem Weg nach Palästina“, taz vom 6. 9. 11

Wer fordert den Staat – Hamas oder Fatah? Die rhetorische Frage bringt den „Konflikt“ auf den Punkt. Verhandlungen oder auch nur Gespräche mit einer Terrororganisation, so die israelische Direktive für alle westlichen Medien, verbieten sich selbstredend. Israel jedenfalls hat sein Ziel erreicht. Die Staatsgründung Palästinas kommt vermutlich nicht zustande, weil die USA, etliche EU-Staaten inklusive Deutschland nicht mitspielen, obwohl die Bundesregierung immer wieder die Zweistaatenlösung in Nahost präferiert hat. Da hilft auch kein flehentlicher Aufruf von 32 Botschaftern und Generalkonsuln im Ruhestand: „Wir bitten Sie um ein JA zu Palästina in den Vereinten Nationen. Das ist ein Gebot der Menschlichkeit zur Beendigung einer unwürdigen Besatzungspolitik.“

Der Teilungsplan der VN von 1947 sah noch eine Verbindung von Gaza mit der Westbank vor. Nach dem Muster divide et impera schlugen die Israelis einen Keil dazwischen, sodass es seither zwei palästinensische Gebiete gibt. Vor allem seit 1967 geht die Landnahme inklusive Siedlungs- und Mauerbau und dem Raub von 80 % der Wasserressourcen in der Westbank ungehindert weiter. Eine halbe Million Siedler haben sich in den besetzten Gebieten, in der Westbank, dem Golan und Ostjerusalem, eingenistet. Wie kann ein palästinensischer Staat da realisiert werden?

DIETER SCHNEYINCK, Freiburg

Kein Naivling

■ betr.: „Menscheln mit dem Mahner“, taz vom 7. 9. 11

Es scheint, als seien Diskussionen mit Sarrazin fruchtlos. Das ist kein Naivling, der sich von Emotionen leiten lässt; der beherrscht seine Provokationspalette perfekt. Namen von Gesprächspartnern falsch auszusprechen, hat nichts mit Sprachproblemen oder Schwerhörigkeit zu tun, sondern ist eine subtile Form der Beleidigung und Abwertung des Gegenübers. Und wenn dazu noch Uni-Mitarbeitern völlig argumentfrei die wissenschaftliche Qualifikation abgesprochen, die Rhetorik der braunen Vorväter („Stumpf und Stiel“) bemüht und auf das Stichwort Religionsfreiheit nicht reagiert wird, zeigt sich doch deutlich: Da hat einer das Tischtuch zerschnitten und legt keinen Wert auf Reparatur. FRANK PÖRSCHKE, Hattingen

Keine Augenhöhe

■ betr.: Menscheln mit dem Mahner“, taz vom 7. 9. 11

Ich finde es problematisch, wenn berichtet wird, dass die bei der Sarrazin-Veranstaltung anwesenden TürkInnen ihrem Gast „zeigen wollten, dass man auch mit Migranten auf Augenhöhe diskutieren kann“. Wer wollte sich mit einem Mann, der sich wieder mal nicht entblödet hat, von „Rassen“ und „Ariern“ zu sprechen, auf Augenhöhe begeben?

Fazit: Kein Podium mehr für diesen Herrn, nicht bei MigrantInnen-Vereinen, nicht in der Presse und schon gar nicht bei der taz! Und bitte auch keine Buchbesprechung seines angekündigten, neuen Buches. „Net amoi ignoriern“, wie Helmut Qualtinger zu sagen pflegte.

TRAUDL WISCHNEWSKI,

Herrsching

Die hoheitliche Aufteilung aufheben

■ betr.: „Integration verlangen, Deutschkurs sparen, taz v. 8. 9. 11

Die hoheitliche Aufteilung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das als innendienstlicher Entscheidungsträger über die Zulassung von Integrationskursen und Teilnehmern bestimmt, und den Integrationskursen als ausführendem Außendienst muss aufgehoben werden, um die Sprachkursqualität zu verbessern. Konkrete Unterrichtserfahrungen von Deutschlehrenden sollten direkt in die Bundesämter einfließen und auch Organisation und Verwaltung der Sprachkurse wie an Goethe-Instituten Deutschlehrenden und nicht Verwaltungskräften überlassen werden. Wenn Sprachkursteilnehmer einem Fürsorgeprinzip von vor hundert Jahren unterliegen, entwickeln sie sich auch zu solchen „sprachlosen“ Fürsorglingen, Sprachkurslehrer zu Damen von der Fürsorge und das Bundesamt zum Inspektionsinnendienst. MARTINA KEILBART, Bielefeld

Einkommen ohne Arbeit besteuern

■ betr.: „Merkel eurodiert“, taz vom 7. 9. 11

Wenn der Deutsche Bundestag eine 253-Milliarden-Bürgschaft in Höhe von zwei Dritteln des Bundesjahreshaushalts abgibt, muss er eine Deckung für diese Summe nachweisen. Sonst macht er sich einer Pflichtverletzung schuldig. Jeden Tag gehen Millionen im Börsenhandel über die Computer, ohne besteuert zu werden. Es ist die Hoffnung auf ein Einkommen ohne eigene Arbeit, das unser Wirtschaftssystem antreibt. Wer anders als die „Banken“ verdient an der horrenden Staatsverschuldung, den Währungsspekulationen und Warentermingeschäften? Was wäre gerechter zu besteuern als ein Einkommen ohne Arbeit? Warum gibt es die Börsentransaktionssteuer als einzig gerechte Gegenfinanzierung der Eurodierung der Staatsfinanzen noch nicht? Ist der Einfluss der sog. Finanzelite so groß geworden, dass das Schlagwort von der postdemokratischen Gesellschaft berechtigt ist?

JOACHIM FLÜGEL, Frankenhardt