Schippe, Sand, Haue: Allet cool am Pool
10 Uhr Spielplatz am Chamissoplatz in Kreuzberg: Um Punkt zehn Uhr wird der Brunnen am Chamissospielplatz von einer Horde wilder Zweijähriger besetzt. Jeden Morgen, Anarchie pur.
Der kleine Felix nimmt der kleinen Lily ihre Gießkanne weg. Die große Joey haut der kleinen Lena eins mit der Schippe über und die englisch-deutsche Kita kommt auch gerade mit zwei Bollerwagen an, um am Brunnen zu splishen und zu splashen. Sammy und James spielen im Sand Fußball. Nike gewinnt immer beim Wettrennen. Joshua sieht aus wie ein mittelalter Englischprofessor, Mali beißt Matthes, Mali wird später vom Esel in der Hasenheide gebissen und Niam küsst Lenja. Lenja mag kein Obst, nur Eis und trinkt gerne Brunnenwasser. Jessies Mama telefoniert immer ganz laut auf dem Handy: „You know that party you are having next week? Is that hat for Oscar’s birthday?“ Jessie rutscht währenddessen aus und fängt an zu weinen.
„Aber nicht trinken, Klara, sonst nehm ich dir die Schaufel weg“, sagt einer der wenigen Papas, die wochentags am Vormittag da sind. Samstags sind fast ausschließlich Papas mit ihren Kindern auf dem Spielplatz. „Die lassen ihre Frauen ausschlafen“, habe ich neidisch zu einer Freundin gesagt. „Stimmt nicht. Die Frauen sind zu Hause und kochen das Mittagessen“, hat die Freundin geantwortet. „Nicht trinken“, ruft der Papa und „wenn du das jetzt trinkst, bekommst du später kein Eis“. Seine Sonnenbrille hat sich in der Aufregung verschoben und sitzt ihm jetzt schief auf der Nase. Die Hose hat im Schritt einen nassen, großen Fleck. „Eis“, sagen jetzt alle Kinder im Brunnen. „Eis, Eis“, brüllt Lenja. „Eis, Eis, Eis!“ Die kleine Joey haut jetzt Lena die Schippe rhythmisch über den Kopf. Klara beugt sich nach vorne zum Wasser, lässt ihre Schaufel voll laufen, schaut ihrem Papa dabei fest in die Augen und nimmt einen tiefen Zug. Mareike Barmeyer
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