Israel friert Steuergelder ein

NAHOST Die israelische Regierung hält wegen des IStGH-Antrags der Palästinenser 100 Millionen Euro zurück. Netanjahu droht Präsident Abbas mit juristischer Verfolgung

Bei Wahlen hätte Hamas-Chef Hanijeh deutlich bessere Chancen als Abbas

AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL

Der politische Machtkampf zwischen Israels Regierung und der palästinensischen Führung wird schärfer. Seit dem Wochenende liegen die palästinensischen Zoll- und Steuergelder auf Eis, die Israel monatlich an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) in Ramallah überweist. Jetzt werden sie aber als Strafmaßnahme zurückgehalten, weil Palästinenserpräsident Mahmud Abbas das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) unterzeichnet hat.

Rijad Mansur, palästinensischer Botschafter in New York, reichte am Wochenende den Mitgliedsantrag beim UN-Generalsekretariat ein. Gegenüber Ha’aretz bestätigte Mansur, dass die Palästinenser bereits eine erste Klage gegen Israel wegen Kriegsverbrechen während des Gazakriegs im vergangenen Sommer vorbereitet hätten. Bis zur Aufnahme beim Internationalen Strafgerichtshof dürften jedoch noch mindestens zwei Monate vergehen.

Umgerechnet rund 100 Millionen Euro bezieht die PA aus der Mehrwertsteuer sowie den Importzöllen für ausländische und israelische Waren. Israel ist durch frühere Abkommen dazu verpflichtet, die Gelder, mit denen die Autonomiebehörde den Großteil der Gehälter für die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst finanziert, einzutreiben und monatlich nach Ramallah abzuführen. Das Einfrieren der Zölle ist eine regelmäßig wiederkehrende israelische Strafmaßnahme – wenn die Palästinenser vor die UNO ziehen oder die Mitgliedschaft bei UN-Institutionen beantragen. In der Regel dauert das Zurückhalten der Gelder nie länger als ein paar Wochen. Ein Bankrott der PA ist nicht im israelischen Interesse.

Regierungschef Benjamin Netanjahu will sich mit den finanziellen Sanktionen nicht zufriedengeben. Er er strebt an, Mahmud Abbas wegen dessen Bündnis mit der „terroristischen“ Hamas vor Gericht zu stellen. Die frühere israelische Oppositionschefin Scheli Jechimowitsch (Arbeitspartei) warnte vor einem Zusammenbrechen der PA, was „nur den Boden für den Einzug radikalerer Kräfte ebnen würde“. Auch Justizministerin Zipi Livni, die im Vorfeld der Wahl eine gemeinsame Liste mit der Arbeitspartei aufstellte, hält nichts von Netanjahus Maßnahmen, die „für die Soldaten der Verteidigungsarmee in Den Haag wenig hilfreich sein werden“.

Abbas musste damit rechnen, dass Israel die Zahlungen einstellt und möglicherweise auch den Kongress der USA dazu bewegt, die Finanzhilfe zu streichen. Laut Umfragen verlieren die Palästinenser zunehmend das Vertrauen in ihren Präsidenten. Würden heute Wahlen stattfinden, hätte Hamas-Chef Ismael Hanijeh deutlich bessere Chancen als Abbas. „Seit dem Gazakrieg hält eine Mehrheit der Palästinenser den gewaltsamen Widerstand wieder für die effektivste Methode, um ein Ende der Besatzung herbeizuführen“, berichtet der palästinensische Meinungsforscher Khalil Shkaki vom Forschungszentrum für Politik und Umfragen in Ramallah. „56 Prozent wollen eine dritte Intifada.“